Bürgermeisterkandidatin Christina Gohl (Grüne) spricht im Interview über Lücken in der Kinderbetreuung der Stadt, über die Mobilitätswende und neue Strategien für alte Themen.
GINSHEIM-GUSTAVSBURG. Christina Gohl tritt für die Grünen als Bürgermeisterkandidatin an. Warum sie nicht nur Schwerpunkte beim Klimaschutz setzen will, wo es kreative Lösungen braucht und welchen Vorteil sie im Vergleich zu ihren Mitbewerbern sieht.
Frau Gohl, was ist das erste Thema, dass Sie als Bürgermeisterin angehen werden?
Das sind eigentlich zwei. Zunächst die Kinderbetreuung: Wir haben hervorragende Kitas. Mein Kind ist selbst in der Betreuung, deswegen weiß ich das aus erster Hand. Die Zeiten und die Plätze reichen aber nicht aus. Das will ich sofort angehen und mit den entsprechenden Personen über Konzepte sprechen, wie wir das verbessern können. Gerade in der Kindertagespflege, also im Bereich der „Tagesmütter“, sind wir noch nicht gut genug aufgestellt. Das zweite Thema ist die Energiegenossenschaft. Wenn ich Bürgermeisterin bin, will ich ermöglichen, dass die Menschen, die hier wohnen, günstige Energie von hier für uns beziehen können.
Beim Thema Verkehr gibt es in Ginsheim-Gustavsburg einige Baustellen. Wo wollen Sie Prioritäten setzen?
Wir müssen die Mobilitätswende angehen, auch hier. Ich selbst war ja heute auch einige Minuten zu spät, weil ich mit meinem Fahrrad vor der Bahnschranke stand. Wir brauchen einen schrankenlosen Übergang endlich auch für den Rad- und Fußverkehr und müssen generell mehr für den Rad- und Fußverkehr tun. Das dient der Lebensqualität, und davon profitieren gerade auch Kinder und Jugendliche und natürlich auch ältere Menschen. Was wir dagegen endlich ad acta legen sollten, ist die Ortsumgehungsstraße. Das Land wird sie ohnehin nicht bezahlen, und zwar mit gutem Grund: Denn sie würde ihrem Namen nicht gerecht und den Ortskern von Ginsheim eben nicht entlasten.
Wegen der defizitären Haushaltslage sind in vielen Bereichen der Stadt die Gelder gestrichen worden. Wem würden Sie, sobald es die Haushaltslage wieder zulässt, wieder etwas zugestehen?
Wir haben überall zwischen drei und zehn Prozent kürzen müssen. Als Erstes wäre wieder das Thema Kinder- und Jugendliche dran; unter anderem wollen wir ja mehr Beteiligung für Kinder- und Jugendliche, und das gibt es nicht umsonst. Aber wir müssen auch immer daran denken, dass wir gezwungen waren, die Grundsteuer B nochmals zu erhöhen und damit alle Menschen zu belasten. Folglich sollten wir eine Senkung ins Auge fassen, wenn sich die Haushaltslage bessert.
Ein Schwerpunktthema deutschlandweit wird in den nächsten Jahren sicherlich der Klimaschutz sein. Was kann Ginsheim-Gustavsburg dazu tun?
Klimaschutz heißt, dass wir einerseits das Klima schützen, aber auch uns vor dem Klima schützen, genauer gesagt: vor den Auswirkungen der vom Menschen verursachten Veränderungen. Was die Erderwärmung anrichten kann, haben wir ganz in der Nähe im Ahrtal gesehen. Deshalb brauchen wir gut ausgestattete Katastrophenkräfte, und deshalb brauchen wir eine moderne Feuerwache auch für Gustavsburg. Und genauso müssen wir unseren Beitrag leisten, die Treibhausgase zu reduzieren.
Mit einer Energiegenossenschaft können wir unseren eigenen Strom produzieren: CO2-frei, sauber und günstig. Da gibt es noch viel ungenutzte Potenziale. Gerade jetzt spielt das eine große Rolle: Wir erleben es, dass die Energiepreise steigen. Davor können wir uns schützen, indem wir unsere eigene Energie nutzen. Die Sonne scheint oft hier in Ginsheim-Gustavsburg und zum Glück auch kostenlos.
In Ginsheim-Gustavsburg sind nahezu alle Flächen bebaut. Wie kann die Stadt überhaupt noch Wohnraum entwickeln?
Wichtig ist bezahlbarer Wohnraum, und das möglichst ohne weitere Flächenversiegelung, also durch Umnutzung von Grundstücken oder Schließung von Baulücken. Deshalb haben wir uns dafür eingesetzt, dass das Gelände des alten Gustavsburger Bürgerhauses bei unserer Wohnungsbaugesellschaft bleibt. Eine weitere Möglichkeit ist das Aufstocken. In anderen Kommunen werden bereits Wohnungen über Supermärkten angelegt. Da müssen wir kreativ werden. Ansonsten sehe ich es schwierig, weil wir schon sehr, sehr viel Flächenversiegelung haben.
Was bekommt der Wähler denn bei Ihnen, was er bei den anderen Kandidaten nicht bekommt?
Bei mir bekommt der Wähler innovative Ideen und einen frischen Blick nach vorne. Dass wir über die Sachen sprechen, die uns in Zukunft beschäftigen werden, statt über die, die uns in den vergangenen zehn oder dreißig Jahren beschäftigt haben. Die Welt verändert sich immer schneller, und die Corona-Krise hat vieles beschleunigt – auch hier in Ginsheim-Gustavsburg. Die neuen Herausforderungen brauchen neue Lösungsstrategien. Dafür stehe ich: Das Gute bewahren, aber auch erkennen, dass sich Zeiten geändert haben.
Wo sehen Sie sich in sechs Jahren?
In sechs Jahren? Da bin ich hoffentlich im Wahlkampf für meine Wiederwahl.
Das Interview führte Michaela Kabon.