Solvadis-Ausbau: SPD sieht Verstoß gegen geltendes Recht
Von Dirk Winter
Weitere fünf Hochtanks will die Solvadis Distribution GmbH am Gernsheimer Hafen bauen. Die SPD will dagegen „jeden Hebel in Bewegung setzen“. Ein Bebauungsplan soll helfen. Archivfoto: Robert Heiler
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GERNSHEIM - Der von der Firma Solvadis beantragte Ausbau ihres Tanklagers am Hafen bewegt die Gernsheimer. Das wurde in der Sitzung des Bauausschusses am Montagabend deutlich, als sich etwa 50 Besucher im Bürgersaal des Stadthauses drängten. Die meisten von ihnen waren eigens wegen diesem Thema gekommen, zu dem die SPD-Fraktion zwei Dringlichkeitsanträge eingereicht hatte (wir berichteten).
Achim Jirele (SPD) erinnerte daran, dass das Chemikalien-Tanklager um fünf weitere 22 Meter hohe Tanks mit einem Fassungsvermögen von 12 500 Kubikmeter vergrößert werden solle. Dieses Vorhaben, das Solvadis bei der Genehmigungsbehörde, dem Regierungspräsidium (RP) Darmstadt, beantragt hat, entspreche einer Kapazitätserweiterung um mehr als 70 Prozent. Mit Blick auf einzuhaltende Achtungsabstände nach der Störfallrichtlinie (Seveso III) unterstellt Jirele auch, dass das Erweiterungsvorhaben nicht mit geltendem Recht vereinbar ist.
Im Sinne des Schutzes der Bevölkerung, des Erhalts eines lebenswerten Gernsheim und des Umweltschutzes „muss jeder, aber auch wirklich jeder Hebel in Bewegung gesetzt werden“, sagte Jirele. Diese Hebel sieht die SPD-Fraktion, indem für das Gebiet westlich der Mainzer Straße ein Bebauungsplan (B-Plan) aufgestellt und eine Veränderungssperre erlassen werde. Denn die Kommunen hätten ein Selbstverwaltungsrecht und die Planungshoheit. Sie könnten rechtsverbindliche Satzungen, B-Pläne beispielsweise, beschließen. Mit diesem Instrument sieht Jirele eine städtische Einflussmöglichkeit auf Bauvorhaben in dem Gebiet. Bürgermeister Peter Burger (CDU) erklärte, eine Veränderungssperre in bloßer Verhinderungsabsicht sei rechtlich unzulässig. Man müsse vielmehr konkrete Entwicklungspläne für das Gebiet haben.
Auch die Stadtverwaltung sehe das Solvadis-Vorhaben sehr kritisch. Burger entgegnete Jirele aber: „So einfach, wie Sie es darstellen, ist es leider nicht.“ Burger warnte aber davor, „betroffenen Bürgern Möglichkeiten vorzugaukeln, die sich hinterher als nicht haltbar erweisen“. Und an die Gäste auf den Besucherplätzen gewandt, richtete der Bürgermeister den „dringenden Appell“, in einen sachlichen Dialog einzusteigen. Wie Burger erklärte, führte ein Rechtsgutachten im Zusammenhang mit dem Eigentümerwechsel des Hafengeländes – das Land Hessen verkaufte 2012 das Areal an die Hafenbetriebsgesellschaft – zur Unwirksamkeit des seitherigen B-Plans. Diese 1965 beschlossene Satzung habe ein „Sondergebiet Hafen“ vorgesehen, in dem „nicht erheblich belästigende Gewerbe- und Industriebetriebe“ zugelassen seien. Der Hessische Städte- und Gemeindebund habe 2013 bei der rechtlichen Überprüfung aber festgestellt, dass es auf mehr als der Hälfte der Hafenfläche immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Nutzungsarten gebe. Faktisch sei das Hafengelände ein Gewerbe- und Industriegebiet.
In einem neuen Bebauungsplan, so Burger, wären Festsetzungen zu Umwelteinflüssen möglich. Dazu müsste sich die Stadt eines Fachgutachters bedienen, der unter anderem Schutzmaßnahmen festlegen und die Kosten beziffern müsste, wie Burger ausführte. Wobei zu klären wäre, ob diese Folgekosten für den Grundstückseigentümer zumutbar wären.
Und: Mit einem B-Plan würde die Stadt die immissionsschutzrechtlichen Festsetzungen für ein Gebiet an sich ziehen, die eigentlich bei einer anderen Fachbehörde, dem RP, angesiedelt seien. Dann würde sich auch die Frage stellen, ob für die Stadt Gernsheim dadurch eine etwaige Entschädigungspflicht entstehe. Dies müsse unbedingt geklärt werden – und zwar vor der Aufstellung eines B-Plans.
Burger schlug vor, den Hessischen Städte- und Gemeindebund mit dem Rechtsgutachten zu beauftragen. Die SPD-Fraktion hat in ihrer zweiten Dringlichkeitsinitiative beantragt, einen Fachanwalt für Umweltrecht zu beauftragen. Über beide Anträge wird erst im Stadtparlament abgestimmt, da noch Beratungsbedarf besteht.