Karen Grol stellt in Gernsheim ihr Buch über Charles Rennie Mackintosh vor. Die Autorin erzählt spannend, wie aus einem Schwächling und Hinkebein ein Architekt, Designer und Maler wurde.
GERNSHEIM - Was ein Glück: Charlie hat überlebt. Vor ein paar hundert Jahren hätte man Neugeborene mit einem Klumpfuß nach der Geburt getötet. Dass Charles Rennie Mackintosh trotz des Teufelsmals am Leben blieb, war das große Glück der Verlegerin und Lektorin Karen Grol. Denn ohne ihre Liebe zu Schottland und ihren Protagonisten wäre es nicht zu diesem grandiosen Buch gekommen. Am Dienstag las die Autorin in der Buchhandlung Bornhofen aus „Mackintoshs Atem“.
Grol erzählt spannend, wie aus einem Schwächling und Hinkebein ein Architekt, Designer und Maler wurde – trotz der Lese- und Schreibschwäche des Schotten. Die Autorin zeigt viele Bilder, anhand derer die Gäste das Lebensumfeld Macintoshs kennenlernen. Und sie gibt einen Schnellkurs in Architektur von der Romanik bis zum Jugendstil und den schottischen Tower-Buildings.
Der historische Roman stellt Mackintosh (1868 bis 1928) in das gesellschaftliche Leben seiner Zeit. Die Autorin lässt ihre Leser teilhaben an emotionalen Ausbrüchen, hoffnungsfrohen Aufbrüchen und bemitleidenswerten Zusammenbrüchen. Wäre sie Musikerin, brächte sie mit ihrer Melodie Säle zum Tanzen.
„Ich muss viel arbeiten, um ein Künstler zu werden“, sagt der junge Mackintosh zum Vater, der banausenhaft mit dem Verlangen nach Brennholz reagiert. Doch mit Fleiß und Disziplin kommt Macintosh seinem Ziel immer näher. Schon 1888 erhält er die Bronzemedaille des Nationalen Wettbewerbs in South Kensington für den „sehr klugen“ Entwurf einer Bergkapelle. Der junge Mann muss sich abgrenzen und behaupten, zumal er arrivierte Architekten mit seinen Ansichten vor den Kopf stößt, „dieser Naseweis“.
1891 sollte er über den Petersdom „sehr schwache Vorderseite“ sagen, über die Markuskirche in Venedig „die modernen Arbeiten sind grässlich“. Das Äußere des Domes in Siena bezeichnet er als „Betrug“. Er dagegen will eine Architektur schaffen, die keinem bestimmten Stil folgt, aber Charakter hat. Das zeigt die Buchhülle mit der Zeichnung der Glasgow School of Art eindrucksvoll.
Verheiratet mit einer genialen Frau
Grol erzählt von Jessie, Schwester des John Keppie, in dessen mit John Honeyman geführtem Architekturbüro Mackintosh als Bauzeichner arbeitet. Will er zu dieser Zeit noch, dass Jessie seine Frau wird, entscheidet er sich später für Margaret Macdonald. Über sie wird er sagen: „Ich habe Talent, Margaret ist genial.“
Mit großer Wärme für ihren Protagonisten, wechselt das Mitglied der Mackintosh Society Erzählen und Lesen ab, sodass die Zeit dahinfliegt. Die lebhaften Beschreibungen und die einfühlsame Sprache begeistern. Freilich trägt ihr Verhalten dazu bei, dass sich womöglich ihr anfangs geäußerter Wunsch erfüllt: „Sie sollen sich in Tosh verlieben.“ Der mehr als 400 Seiten zählende biografische Künstlerroman ist mit Enthusiasmus und unverhohlener Sympathie geschrieben.