„Was ist eigentlich Freiheit“ war die Kernfrage in der Stadthalle der Schöfferstadt. Es referierte Margitta Rosenbaum.
GERNSHEIM. Berlin, 17. Januar 1988: „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden.“ Mit diesem Satz von Rosa Luxemburg wollen sich Oppositionelle wie der Liedermacher Stephan Krawczyk in die offiziellen Jubelfeiern der Staatsführung der DDR einmischen. Denn Freiheitsstreben sei ein Grundbedürfnis des Menschen. Die Staatssicherheit verhindert das. Doch für Margitta Rosenbaum ist dies der Anfang vom Ende der DDR.
Am Samstag referierte sie beim Frühstückstreffen für Frauen (FFF) in der Stadthalle. Aufgewachsen ist sie im Vogtland. „Freiheit hatte dort einen ganz anderen Klang“, rief das „echte Kind der DDR“ den Gästen zu. Frauen seien „freier“ gewesen: Schule, Studium, Beruf und ein eigenes Konto – all das hatten sie schon, als die Frauen im Westen noch in so vielen Belangen von ihren Männern abhängig waren. „Trotzdem war alles begrenzt“, sagte Rosenbaum. Daher sei der Fall der Mauer eine Befreiung gewesen.
„Was ist eigentlich Freiheit?“ So lautete das Generalthema der Reisereferentin für die Arbeitsgemeinschaft biblischer Frauenarbeit. Für sie war es nach dem Ende des SED-Staats die Möglichkeit, als Christin für Zeitungen schreiben zu dürfen. Dennoch seien mit der neuen Freiheit auch Einschränkungen verbunden gewesen: „Wir konnten uns nicht alles leisten.“
Philosophen, Psychologen, Theologen – alle legten Freiheit anders aus. Margitta Rosenbaum erzählte von Christen, die um ihres Glaubens willen eingesperrt, verfolgt wurden, flüchten mussten. Trotzdem: „Sie haben von ihrer inneren Freiheit gesprochen, was ich nur bestaunen kann.“ Diese Menschen seien freiwillig an Gott gebunden. So wie das auf Gott vertrauende kleine Volk Israel, das der Herr aus der Sklaverei in Ägypten geführt habe: „Gott will uns in die Freiheit führen.“ Insofern sei Freiheit „die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo ich mich anbinde“.
Buchautorin Rosenbaum erwähnte als Wortstamm für Freiheit das germanische „frî-halsa – jemand, dem sein Hals selbst gehört“. Wenn man heute „seinen Hals aus der Schlinge zieht“ bedeute dies heute, von etwas frei zu werden. Gleichzeitig heiße es aber, bei etwas zu sein: „Freiheit steht immer in Beziehung zu etwas.“ Und sie verbinde sich mit einer Sehnsucht, wie sie Reinhard Mey in einem Lied ausgedrückt habe: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein … Ich wäre gerne mitgeflogen.“
Freiheit bringe Pflichten mit sich: die Erziehung von Kindern ohne Grenzen führe zur Orientierungslosigkeit, meinte Rosenbaum. Oder: „Hat uns das Fallen sexueller Tabus in den 1960er-Jahren frei gemacht?“ Heute sei klar, dass sich für viele Sexualität befriedigend nur in einer dauerhaften Beziehung entfalten könne. Freiheit bedeute auch keineswegs, dass Kinder von zuhause ausziehen, sich nach wie vor aber von Mutti den Kühlschrank füllen und die Wäsche waschen ließen. Frei werde nur, wer sich selbst entdecke.
Wer beim Rahmenprogramm auf die Büchertische schaute, entdeckte Titel zum Thema, wie etwa „Unverschämt frei“ von Christine Caine oder „Ich bin so frei“ von Ille Ochs, aber auch „Schwimmkartoffeln und Gebet“ von Kerstin Wendel. Die Referentin war mit ihrem Buch „Wie sich der Regenbogen spannt“ über Anna von Weling, Gründerin des Allianzhauses Bad Blankenburg, vertreten. Gabriele Emser moderierte das FFF, bei dem Mila Lau einen Erfahrungsbericht aus ihrem Leben vortrug. Beifall gab es für die Pantomimen Lisa Iskam und Uschi Wagner. Die Gernsheimer Lobpreis-Band wartete mit musikalisch-religiösen Beiträgen auf: „Durch dich weiß ich, wer ich bin!“