Gottesdienst und Gedenkveranstaltung in Maria Einsiedel für ein Europa freier Völker. Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler macht sich für die EU stark.
Von Hans-Josef Becker
Zum Gedenken an die Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg steht dieses Kreuz in Maria Einsiedel.
(Archivfoto: Vollformat/Heiler)
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GERNSHEIM - Es war am 4. März 1919 in Kaaden. Die 20 Jahre alte Kanzleigehilfin Aloisia Weber stand kurz vor ihrer Hochzeit. Zusammen mit hunderttausenden Deutschen demonstrierte die junge Frau friedlich für das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen – so schildert der hessische Landesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Markus Harzer, die Begebenheit kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs. Anlass sei die Wahl zum deutschösterreichischen Nationalrat gewesen, an denen sich die Sudetendeutschen hätten beteiligen müssen.
Weil ihnen dies nach Harzers Angaben von der tschechischen Besatzungsmacht verwehrt wurde, habe die sozialdemokratische Partei zum Generalstreik auf gerufen. In vielen Städten habe das tschechische Militär in die Menge gefeuert.
Unter den 54 Todesopfern war Aloisia Weber. Ihre Geschichte rief Harzer während einer Gedenkfeier der Kreisgruppe Groß-Gerau der Sudetendeutschen Landsmannschaft am Sonntag am Wallfahrtsort Maria Einsiedel in Erinnerung. Die Veranstaltung stand unter dem Leitwort „Für ein Europa freier Völker und Volksgruppen“.
Im vorausgegangenen Gottesdienst hatte Pfarrer Heinrich Bosse dazu aufgefordert, auch am Fastnachtssonntag Not und Leid nicht zu vergessen. Man solle auch an jene denken, die mehr weinen als lachen.
Gottesdienst und Gedenkfeier wurden vom Erzgebirgischen Heimatverein Nauheim-Weiterstadt mit Liedern und den Trachtenträgern der Egerländer Gmoi z`Kelsterbach mitgestaltet.
Michael Gahler wirbt für die EU
Der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler bedauerte, dass dieser Gedenktag in der Öffentlichkeit nicht sehr bekannt sei: „Geschichte, die vergessen wird, birgt die Gefahr, sich zu wiederholen.“ Der Politiker sinnierte darüber, wie der Streit begonnen habe, nachdem Deutsche und Tschechen jahrhundertelang friedlich miteinander gelebt hätten. Letztlich habe wohl die Politik Fehler gemacht, und es habe sich bestätigt: „Nationalismus ist Krieg.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg seien in Westeuropa Strukturen geschaffen worden, in denen Sieger und Besiegte, starke und schwache Länder einander Vertrauen schenkten und so den Frieden bewahrten. Gahler rief dazu auf, sich durch Populisten nicht beirren zu lassen: „Wir wollen uns in der Europäischen Union weiterhin in Frieden und Freiheit entwickeln.“
Zu Beginn der Feier hatte der Kreisvorsitzende der Landsmannschaft, Helmut Brandl, auf die deutschlandweiten Treffen anlässlich des „Tages der Selbstbestimmung“ hingewiesen. Mit dem Gedenken einher gehe die Forderung nach einem europäischen Volksgruppenrecht und dem Schutz von Minderheiten weltweit. Im Rückblick auf die in der Charta der Heimatvertriebenen von 1950 niedergeschriebene Verpflichtung, an der Schaffung eines geeinten Europa mitzuwirken, sagte Brandl: „Besonders in Tagen einer spürbaren, schleichenden Entwicklung von Nationalstaaterei – auch bei einigen unserer europäischen Nachbarstaaten – ist es unendlich wichtig, das bisher geschaffene Haus Europa zu erhalten und für uns alle weiterzuentwickeln, damit dieses Gebilde ein Hort für Frieden und Stabilität bleiben möge.“