Alternative für Deutschland plädiert in Gernsheim mit teilweise markigen Worten für den Nationalstaat
Von Hans-Josef Becker
Über Europa spricht die AfD in Gernsheim: Maximilian Krah (rechts) sowie Christine Anderson, Erich Heidkamp und Irmgard Horesnyi (hinten, von links).
(Foto: Vollformat/Robert Heiler)
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GERNSHEIM - Die Parole scheint klar: „Europa ist viel wichtiger und größer als die Europäische Union“ (Erich Heidkamp), „Nur der Nationalstaat garantiert eine freie und selbstbestimmte Entwicklung“ (Christine Anderson), „EU und Europa sind nicht das Gleiche“ (Dr. Maximilian Krah). Die drei AfD-Kandidaten für das Europaparlament machten deutlich: Wir sind nicht gegen Europa, aber geben unseren (Haustür-) Schlüssel nicht an Brüssel ab.
Zu Beginn hatte Irmgard Horesnyi am Samstag die Richtung angedeutet. Die Vorsitzende der AfD-Kreistagsfraktion Groß-Gerau sprach vom „sogenannten Parlament“, in das man hinein wolle, um alles zu verändern. Konkrete Vorschläge blieben die drei Kandidaten allerdings den 35 Zuhörern schuldig. Nicht viel weniger Menschen nahmen an der von Linksjugend, Linken und Jusos organisierten Anti-AfD-Demonstration vor der Stadthalle teil.
„Ist die Kanzlerin noch bei Trost?“, fragte Heidkamp, um der CDU/CSU dennoch einen „Rest an Verstand“ zu attestieren. Aber: „Diese Feiglinge verraten unser Land.“ Grüne und Linke „leben in einer anderen Welt“. Macron wird zum Möchtegern-Napoleon, der Merkel über den Tisch zieht. Die vorgesehene Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips kommentierte der Kandidat fragend: „Welche kranken Hirne haben sich das ausgedacht?“
REDNER
Rechtsanwalt Maximilian Krah (Listenplatz 3), verließ die CDU nach 25 Jahren, weil sie sich nicht mehr reformieren könne. Rechtswissenschaftlerin Christine Anderson (Platz 8) bezeichnet sich als aufrechte Demokratin und Verfechterin der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der direkten Demokratie. Der 70 Jahre alte Höchst-Manager und Landtagsabgeordnete Erich Heidkamp (Platz 12) will nicht mehr akzeptieren, dass er als Deutscher minderwertig sei. (bge)
In diese Kerbe schlug auch Anderson. Wenn es Mehrheitsentscheidungen gäbe, „herrschen Staaten über Staaten“. Entgegen aller Heilsversprechen der „Volksmoralisten in Brüssel“ werde damit die Volksherrschaft ausgehebelt. „Es entsteht eine Fremdherrschaft durch eine weltvergessene Machtelite und der Souverän wird beseitigt.“ Anderson nahm sich auch den Euro vor, der an Siechtum leide und alleine durch Notoperationen am Leben gehalten werde: „Das ist keine Währung.“
Ein Lieblingsthema der AfD konnte kaum ausgespart werden. Wenn Merkel die Flüchtlinge als Geschenke bezeichne, die mehr wert seien als Gold, könne man das nur so kommentieren: „Wir hätten besser in richtiges Gold investiert.“ Auf die sich anschließende Frage, wer deutsche Arbeitnehmer verraten habe, erschallte es im Chor der zumeist furios klatschenden Zuhörer: „Sozialdemokraten!“ Für Anderson ist die Direktwahl des Parlaments nicht demokratisch: Eine deutsche Stimme sei zwölfmal weniger wert als die eines Maltesers.
Laut Maximilian Krah gehe es in Europa um eine Abwägung: Wie viel Gemeinsamkeit und wie viel Verschiedenheit? Die AfD kritisiere die Europa schadenden Fehlentwicklungen der EU. „Wir gehen in das Parlament, um den Brüsseler Beamten Paroli zu bieten.“ Dazu biete man die Vision zur Buntheit Europas an. Die anderen dagegen wollten Europa in ein rot-grünes Nirwana führen. Die EU sei keineswegs eine Friedensmacht. Sie habe den Krieg in der Ukraine durch Zusagen ausgelöst, obwohl der Staat zur russischen Einflusssphäre gehöre. „Man konnte wissen, dass Russland sich das nicht gefallen lässt.“ Im Europaparlament wolle man alle Möglichkeiten nutzen, um etwas zu verändern für jene Menschen, um die sich die anderen Parteien nicht kümmerten. Schließlich forderte Krah eine Rückkehr des Gemeinsinns, um mit der Brechtschen Kinderhymne zu schließen: „Und nicht über und nicht unter andern Völkern wolln wir sein.“