Braunshardt hatte einmal einen Flugplatz. Das zumindest geht aus der Liste der 1945 von der US-Armee eroberten Flugplätze hervor. Dessen Einnahme im März wird unter dem...
BRAUNSHARDT. Braunshardt hatte einmal einen Flugplatz. Das zumindest geht aus der Liste der 1945 von der US-Armee eroberten Flugplätze hervor. Dessen Einnahme im März wird unter dem falsch geschriebenen Namen „Braunschardt“ verzeichnet.
Tatsächlich lag südlich der Bahnlinie zwischen Worfelden und dem Braunshardter Tännchen auf beschlagnahmten Äckern eine 50 Meter breite und rund 1600 Meter lange Betonstartbahn in Ost-West-Richtung. Die Luftwaffe hatte im Herbst 1944 mit dem Bau der Piste begonnen.
Das Baumaterial wurde über den Bahnhof Weiterstadt und von dort über eine Schmalspurbahn angeliefert. Die Startbahn lag abseits der üblichen Flugplätze, möglicherweise für die Strahlflugzeuge Messerschmitt 262 vorgesehen, dem ersten in Serie gebauten Düsenjäger der Welt.
Schaut man genauer auf die Geodaten ergibt sich, dass das „Airfield Braunshardt“ trotz seines Namens knapp nicht mehr auf Braunshardter Gemarkung liegt, sondern auf dem Gebiet des heutigen Büttelborns. Der Heimat- und Geschichtsverein Worfelden hat Hintergründe zu der Fläche nahe der Orts- und Kreisgrenze erforscht und zusammengestellt.
Demzufolge war die Luftwaffe mit der Betonpiste nicht mehr fertig geworden. Der mittlere Teil fehlte. Die Amerikaner bauten den frisch eroberten Flugplatz erst einmal mit Blechen fertig und nummerierten es mit Y-72 (der heutige August-Euler-Flugplatz bei Griesheim bekam die Nummer Y-76). Eine Me262 ist also nie von dort gestartet. Stattdessen stationierte die US-Airforce im April 1945 dort das 415th Night Fighter Squadron und die 86th Fighter Group.
„Ob die Startbahn wirklich für die Me 262 gedacht war, ist Spekulation“, sagt der aus Büttelborn stammende Historiker Gerhard Raiss, der Stadtarchivar in Eschborn ist. Ausbautempo und Zeitpunkt sprechen dafür. „Akten und einschlägige Unterlagen zum Bau fehlen jedoch“, gibt er zu bedenken.
Laut Heimat- und Geschichtsverein wurde der Flugplatz ab da auch intensiv für Luftangriffe in Süd- und Mitteldeutschland genutzt; Zeitzeugen berichteten, dass die Flugzeuge teilweise so laut waren, dass man bei Gottesdiensten nichts mehr verstand.
Unterkünfte, Lebensmittel- und Materiallager waren in Büttelborn, an der Stelle der heutigen Mülldeponie war ein Tanklager. Nach Kriegsende am 8. Mai wurden die Flugzeuge abgezogen und die Fläche wurde eine Werkstatt für US-Armeefahrzeuge sowie ein Reifen- und Ersatzteillager. Am 30. Oktober 1945 gaben die Amerikaner die Fläche schließlich auf und die Bevölkerung aus der Umgebung verwertete die Hinterlassenschaften. Einige verbauten Betonteile als Füllmaterial in den Kellern ihrer Häuser, Landwirte nutzen den Betonboden als Lagerfläche und Fahrschulen fuhren dorthin zum Üben.
Eine Zeit lang starteten dort noch Kleinflugzeuge mit Werbebannern, bis zwischen 1965 und 1968 die Betonbahn zurückgebaut wurde. Heute ist vom Flugplatz nichts mehr zu sehen. Geht man die Hundsstraße entlang – sie verbindet Worfelden mit dem Tännchen – kommt man an Informationstafeln zum Spargelanbau vorbei. Blickt man von dort Richtung Westen, schaut man auf die Flächen, auf denen einst der Flugplatz war.
Fürs Geocaching, der modernen Schnitzeljagd-Variante mit GPS-Unterstützung, ist der verschwundene Flugplatz inzwischen ein Geocache (Anlaufpunkt). Er wurde 2011 zum 800. Jubiläum der Ersterwähnung Worfeldens eingerichtet.