Keine OP-Säle und keine Patientenzimmer: Aus baulichen Gründen wird das Projekt, eine Klinik für ästhetische Chirurgie auf Schloss Heiligenberg bei Jugenheim einzurichten,...
JUGENHEIM. Lohnende Investition und sinnvolle medizinische Ergänzung oder Millionengrab und unnötiges Prestigeprojekt für Reiche? Die Meinungen zum vom Kreis vorbereiteten Operieren auf Schloss Heiligenberg in Jugenheim gehen weit auseinander. Nun legt Landrat Klaus Peter Schellhaas einen überarbeiteten Businessplan vor - mit markanten Zahlen.
Ergebnis: Kritiker des Vorhabens - allen voran die CDU-Opposition im Kreisparlament - sehen einen Großteil ihrer Befürchtungen jetzt bestätigt und bisherige Äußerungen des SPD-Landrats widerlegt.
Anders als jahrelang von Klaus Peter Schellhaas im Kreisparlament dargestellt, soll im Schloss nun doch allein Schönheitschirurgie erfolgen, nahezu ausschließlich für Privatpatienten. Der Bereich der Sternum-Operationen (Brustverletzungen nach Unfall) mit geplanten 30 Eingriffen im Jahr ist herausgenommen worden und soll stationär im OP der nahen Klinik Jugenheim erfolgen.
Die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg hatten in den Jahren 2010/2011 mit der Einrichtung einer Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie neue Wege beschritten, damals noch im Haupthaus in Groß-Umstadt. Lukrative kosmetische Eingriffe für Selbstzahler waren dort kein Schwerpunkt.
Die mit Abstand größten Erlöse innerhalb der akuten Krankenversorgung der Plastischen Chirurgie ließen sich - so die jetzige Kreis-Vorlage - mit den Sternum-Eingriffen bei Intensivpatienten erzielen. Diese Eingriffe generierten bislang - je nach Fallpauschale - einen Mehrerlös von bis zu 20 000 Euro.
Das betuchtere Klientel der Schönheitschirurgie meide das normale Krankenhaus, bevorzuge eine hotelähnliche Umgebung. Genau dies sollte durch den Umbau in einem Trakt des Schlosses Heiligenberg entstehen.
Die Investitionskosten dafür stiegen jedoch gegenüber der Planung von 1,5 auf 3,38 Millionen Euro. Dies stellt eine Verdoppelung der Baukosten dar, die insbesondere auf die Bauverzögerung und dem Bau im denkmalgeschützten Bereich zurückzuführen ist. "Ein positiver Return-on-investment ist aufgrund der deutlich gestiegenen Baukosten erst im Jahr sieben zu erwarten", heißt es nun in der Vorlage fürs Kreisparlament. Bisher hieß es, das investierte Geld werde sich viel früher rechnen.
Im denkmalgeschützten Gebäude gibt es etliche bauliche Schwierigkeiten. So erwies sich die Einrichtung eines OP-Saales der Raumluftklasse Ib als nicht realisierbar; weshalb entsprechende Operationen gestrichen werden müssen. Ebenso entfallen die Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Schloss; Patienten sollen in Komfortzimmern der Kreisklinik Jugenheim unterkommen.
"Uns war von Anfang an klar, dass die Investition in die Liegenschaft 'Schloss Heiligenberg' in Seeheim-Jugenheim zur Errichtung einer Ästhetischen Privatklinik in einem finanziellen Desaster enden wird", so der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Lutz Köhler. Da sei die seit dem Jahr 2015 gezahlte Kaltmiete von insgesamt rund 160 000 Euro noch gar nicht enthalten. Und auch nur durch einen Trick könne der jetzt aktualisierte Businessplans ab dem Jahr 2025 einen ersten leichten Gewinn von 100 000 Euro ausweisen.
"Aber von den finanziellen Tricks abgesehen, stellt sich die Frage, ob es zu den Kernaufgaben eines Landkreises gehört, mit dem Geld der Bürger zum Beispiel Botox-Spritzen oder Tattoo-Entfernungen anbieten zu müssen", so Köhler.
Der Landrat widerspricht und kündigt an, dass es keine Klinik für Privatpatienten, sondern für alle Menschen geben werde. Über die steigenden Kosten sei früh informiert worden. Richtig sei, dass nun alle Eingriffe, die einen stationären Aufenthalt nach sich ziehen, in der nahen Kreisklinik Jugenheim erfolgen werden. Nur kleinere Eingriffe, bei denen kein stationärer Aufenthalt erforderlich ist, werden in Lokalanästhesie im Eingriffsraum auf dem Schloss erfolgen. Richtig sei, dass sich der "Return on investment" von drei auf sieben Jahre verschiebt.
Von Reinhard Jörs