Obst und Gemüse, Pilze, Salatköpfe, Bananen, Brot und Brötchen liegen in Plastikkörben auf einer Bierbank bereit. All das würde im Müll landen, dank Gerhard Deisinger und...
ROSSDORF. Es dauert nicht einmal fünf Minuten: Gerhard Deisinger setzt per Facebook einen Post ab, mit dem er Waren zum Verschenken ankündigt - und schon stehen sechs Personen vor seiner Garage in der Wilhelm-Leuschner Straße 31. "So läuft das jedes Mal", sagt der Roßdörfer. Obst und Gemüse, Pilze, Salatköpfe, Bananen, Brot und Brötchen liegen in Plastikkörben auf einer Bierbank bereit. All das würde im Müll landen, dank Gerhard Deisinger und Foodsharing kommt es aber doch noch unter die Leute.
Foodsharing bezeichnet eine Initiative, die deutschlandweit verbreitet ist. Über 40 000 ehrenamtliche Foodsaver - so nennen sich die Helfer - sind über die Website der Initiative angemeldet und retten etliche Tonnen Essen vor dem Müll. Das Konzept ist einfach: Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder die sich aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Geschäften verkaufen lassen, werden in Kisten gepackt und zur Abholung bereitgestellt. Foodsaver wie Gerhard Deisinger holen die Waren ab und geben sie kostenlos an jeden weiter, der vorbeikommt. "Ob jung, ob alt, ob arm, ob reich - alle kommen vorbei und holen sich die Waren ab", sagt der Rentner.
Auf Foodsharing aufmerksam wurde Deisinger durch einen ECHO-Artikel. Sofort wollte er auch helfen, bei sich in Roßdorf. "Mich hat es schon immer gestört, dass Lebensmittel weggeschmissen werden", sagt er. "Die Menge ist einfach Wahnsinn." Doch vor dem offiziellen Beginn als Foodsaver stand noch eine Hürde in Form von einem Test. Ganz so einfach ist der nicht. "Beim ersten Mal bin ich durchgefallen", sagt Gerhard Deisinger. Nachdem er sich konkreter über Foodsharing auf der Website eingelesen hatte, klappte es mit dem Test. Nach zwei Probelieferungen war er als Foodsaver zugelassen.
Seitdem hat er schon einiges bewirkt: Deisinger zeigt auf den Bildschirm seines Computers, wo in seinem Foodsharing-Account eine Zahl groß aufleuchtet: 3891. Denn 3891 Kilogramm an Lebensmitteln hat er bereits gerettet. "Und das innerhalb von sechs Monaten." Unter den Waren, die er von Läden und Geschäften bekommt, sind Obst, Süßwaren und Waschmittel. Der Großteil besteht aber aus Backwaren und Gemüse. Die Geschäfte fährt er mit seinem Privatwagen an, um die vorgepackten Kisten abzuholen.
Benzinkosten werden ihm nicht erstattet. Da Foodsharing ein gemeinnütziger Verein ist und die Mitglieder ehrenamtlich tätig sind, darf er von niemandem Geld annehmen. "Ich mache das ja nicht, um etwas zu verdienen, sondern weil ich Spaß daran habe." Er selbst profitiere ja auch von den Lebensmitteln, die er in den Läden kostenlos abholt. "Gemüse habe ich mir schon ewig nicht mehr gekauft. Da lebe ich nur von den Waren der Märkte."
Deisinger ist Rentner. Daher hat er genügend Freizeit für sein Hobby. Etwa vier Stunden am Tag, öfter auch länger, kümmert er sich um das ehrenamtliche Projekt. "Ich muss die Waren abholen und verschimmelte oder schlechte Lebensmittel aussortieren", erklärt Deisinger. Denn im Falle einer Lebensmittelvergiftung ist er haftbar - und nicht die Geschäfte, deren Verantwortung mit dem Zeitpunkt der Abholung erlischt. Die Probleme mit den Lebensmitteln waren bisher klein: "Einmal war die Milch etwas sauer, das bemerkt man aber schnell. Ich sortiere schon sehr sorgfältig aus."
Nicht alle Waren, die Deisinger in seiner Garage anbietet, werden auch abgeholt. Kein Wunder bei der Menge an Obst, Gemüse und Brötchen. Die Lebensmittel wegzuschmeißen, bringt er nicht übers Herz. "Was ich nicht unterbringen kann, gebe ich an eine Tier-Auffangstation oder an die Kühe eines nahegelegenen Bauernhofs", erklärt er.
Deisinger will mit dem Food- sharing die Aufmerksamkeit auf die Überproduktion lenken und die Menschen sensibilisieren. "Das endgültige Ziel muss es sein, dass ich Foodsharing nicht mehr machen muss", sagt er. Und mit einer Portion Realismus fügt er an: "Das wird aber wahrscheinlich nie passieren."
Von Marcel Großmann