Silvester und Weihnachten werden besonders viele Lebensmittel weggeworfen. Grund für Foodsharing, mit einer großen Aktion am Silvestertag Lebensmittel im Raum Dieburg zu...
ROSSDORF. Am Silvestertag wird die Aktion wiederholt, die schon an Heiligabend gelaufen ist: Vor dem Carport von Gerhard Deisinger in Roßdorf drängen sich die Menschen. Letzte Einkäufe? Nein, hier gibt’s Lebensmittel gratis. Gerettete Lebensmittel, die ohne Deisinger und seine Helfer im Müll gelandet wären. Nun dienen sie doch noch ihrer Bestimmung.
Auf einer Bank am Rande des Geschehens liegt eine Liste. Darin hat der Essensretter schnell festgehalten, was er an diesem Morgen bei einem großen Markt am Rand von Dieburg abholen konnte. Insgesamt 150 Kilo sind allein dort zusammengekommen. Jetzt gibt es Brot und Brötchen und Kaffeestückchen satt, Joghurt-Zubereitungen vielfältiger Geschmacksrichtungen, jede Menge Bananen, deren einziges Manko ein paar braune Flecken sind.
„Lebensmittelretter“ nennen sich die inzwischen rund 40 000 Aktiven in Deutschland, die Zeichen gegen die Wegwerf-Gesellschaft setzen wollen. Und manche kommen vor allem deshalb zu Deisinger, weil sie diesen Grundgedanken gut finden.
„Es wird viel zu viel weggeworfen“, sagt etwa Iris Letzkus, die eigentlich am Bodensee lebt, über Weihnachten bei ihren Eltern in Roßdorf zu Gast ist und von Deisingers Aktion gehört hat. Sie sucht sich ein Brot aus, einige Brötchen, später auch Bananen. Materiell ist sie nicht auf dieses Angebot angewiesen. Sie nimmt die Lebensmittel eher an sich, um sie als Lebensmittel zu würdigen, ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen. An ihrem Wohnort in Süddeutschland gebe es eine solche Aktion noch nicht. Es werde aber Zeit, sie auch dort zu etablieren.
Der ethische Gedanke hat auch bei Horst Schönig aus Gundernhausen verfangen. Er begleitet an diesem Morgen seine Tochter, die mit Deisinger Lebensmittel einsammelt und für deren Verteilung sorgt. „Manchmal springe ich auch als Fahrer ein“, berichtet er. „Es gibt so viel Überschuss, trotzdem ist Wegwerfen blöd.“ Seine Tochter Johanna ist noch strikter: Ich kann einfach nicht mit anschauen, wie viel weggeworfen wird.“ Auch das Mindesthaltbarkeitsdatum werde häufig als Todesurteil für Lebensmittel falsch interpretiert.
Ein ganz klein wenig ähnelt das Prinzip dem der Tafeln. Allerdings gibt es keine Bedürftigkeitsprüfung mit Einkommensbescheiden, keinen symbolischen Obolus und auch keine Zuteilung. Im Prinzip kann jeder einpacken, was er haben will. Bei den Märkten bleibt ja schließlich weit über den Bedarf der Tafeln hinaus was übrig. Wenn Deisinger und seine Helfer mal wieder ein paar Fuhren zusammenhaben, verbreiten sie das über die Roßdörfer Facebook-Gruppe und WhatsApp, „und es dauert dann meist nur wenige Minuten, bis die ersten Interessenten da sind“, erklärt der Initiator. „Heute ist allerdings besonders viel los, weil wir die Aktion im Vorfeld angekündigt haben. Wir werden sie am Silvestertag noch mal wiederholen.“
Ute Storm aus der Nachbarschaft schaut vorbei. Sie ist im Asylkreis Roßdorf aktiv und freut sich über das Angebot der Lebensmittelretter, von dem auch Geflüchtete profitieren. „Da ist das Geld knapp. Und trotzdem muss man die Menschen oft ermuntern, zuzugreifen. Sie sind meist eher zurückhaltend.“ Tatsächlich kommen einige Frauen mit Kopftüchern vorbei.
„Heute ist hier ein besonderer Treffpunkt“, stellt Nachbar Wolfgang Jakob fest. Das stimmt. Als eine weitere Nachbarin dann zum Dank für die Lebensmittelretter eine Flasche Sekt spendiert, kommt schon fast Partystimmung auf.