Seeadler am Reinheimer Teich

Mittagspause am Reinheimer Teich: Dort wurde nun zum ersten Mal von Vogelexperten ein Seeadler gesichtet. Foto: Klaus Hillerich

Klaus Hillerich und Ernst Ludwig Achenbach sind völlig aus dem Häuschen. Mit Fernglas und gezückter Kamera stehen die beiden Männer am Rande des Reinheimer Teichs und trauen...

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REINHEIM. Klaus Hillerich und Ernst Ludwig Achenbach sind völlig aus dem Häuschen. Mit Fernglas und gezückter Kamera stehen die beiden Männer am Rande des Reinheimer Teichs und trauen ihren Augen kaum. Doch die beiden Vogelexperten sind sich sicher: Es ist ein Seeadler, der da gerade über ihnen kreist. Und zwar der erste, der am Reinheimer Teich je gesichtet worden ist. Eine kleine Sensation für Hillerich und Achenbach. "Der eindeutige Beweis für uns war die Größe dieses Greifvogels, und dass er die rastende Gänseschar zum Auffliegen veranlasste", sagt Klaus Hillerich.

Das Naturschutzgebiet bei Reinheim ist ein Brut- und Rastplatz für viele Vogelarten, ein Dorado für Störche - in den vergangenen Jahren wächst die Zahl der Brutpaare kräftig an -, für eine Graureiher-Kolonie, die Rohrweihe und andere Wasser- und Wiesenvögel. Viele Zugvögel nutzen das Gebiet als Rastplatz oder zur Überwinterung, darunter Silberreiher, Rohrdommel und Kornweihe.

Und jetzt ist da auch der Seeadler. "Wohin er will? Keine Ahnung", sagt Klaus Hillerich von der Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON). Ob dieses zu den größten Greifvögeln Europas zählende Tier sich am Reinheimer Teich niederlassen will, oder ob er nur - mit Blick auf die Graugänse, die hinter Hillerich auf der Wiese hocken - Rast macht und sich satt isst, bevor seine Reise weiter geht, können weder Hillerich noch sein Mitentdecker Ernst Ludwig Achenbach (ebenfalls HGON) beantworten. Nach einer halben Stunde dreht der Seeadler zunächst Richtung Groß-Zimmern ab. "Das müssen wir in den kommenden Tagen beobachten", sagt Achenbach. Erwachsene Seeadler bleiben in Europa normalerweise ganzjährig in ihrem Revier. Junge Seeadler und revierlose Erwachsene streifen auf der Suche nach einem Revier umher. Der Reinheimer Seeadler ist im vierten Jahreskleid, was bedeutet, dass er fast erwachsen ist. Seeadler können bis zu 40 Jahre alt werden.

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Dass sich die beiden Vogelexperten so über den gefiederten Gast freuen, hat einen Grund: Der Seeadler war in Deutschland beinahe ausgerottet. Zuerst (ab dem 17. Jahrhundert) hat ihn der Mensch als Konkurrent für Nahrung verfolgt, dann (in den 1950ern und 1960ern) kam das Insektizid DDT, das dafür sorgte, dass Seeadler kaum noch Nachwuchs bekamen. In den 1960er Jahren wurden in Deutschland noch 60 Brutpaare gezählt; heute sind es wieder je nach Statistik zwischen 600 und 700 Brutpaaren. Die meisten davon im Nordosten der Republik.

Auch im Landkreis gab es schon einmal eine Seeadler-Sichtung: An den Hergershäuser Wiesen bei Babenhausen wurde der Greifvogel im September 2008 schon mal gesichtet - und erneut im Januar 2011. Über Spachbrücken wurde ein Seeadler auch bereits 2008 gesehen, also ganz in der Nähe des Reinheimer Teichs. Dort aber, da war er laut Achenbach und Hillerich noch nie. Zumindest nicht, wenn ein Mensch gerade gen Himmel geschaut hat. Am Montagmorgen wurde das Tier nicht mehr gesehen, inzwischen ist es vermutlich weitergezogen.