Von Shark City zur Pfungstädter Brauerei: Rund 67 Prozent der Bürgerbegehren werden in Hessen als unzulässig erklärt. In Pfungstadt gibt es dafür einige Beispiele.
PFUNGSTADT. Ob „Brauen statt Bauen“ oder „Kein Indoor-Hai-Aquarium in Pfungstadt“ – schon mehrmals wurde in Pfungstadt der Versuch der direkten Demokratie gestartet. Bisher ist es jedoch noch nie zu einem Bürgerentscheid gekommen. Auf dem Weg dorthin lauern nämlich viele formale Fallen, an denen ein solches Vorhaben scheitern kann.
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Wenn Bürger mit einem Beschluss der Politiker in ihrer Stadt oder Gemeinde nicht einverstanden sind, dann können sie sich mit einem Bürgerbegehren, das in der Folge zu einem Bürgerentscheid führen kann, dagegen wehren. In Hessen wurden im Zeitraum von 1956 bis 2019 laut der Heinrich-Böll-Stiftung 486 Verfahren zu Bürgerbegehren verzeichnet. In 181 dieser Fälle kam es tatsächlich zu einem Bürgerentscheid. Das bedeutet, dass rund 67 Prozent der Bürgerbegehren in Hessen als unzulässig erklärt wurden. Bundesweit liegt diese Quote bei 28,5 Prozent. Häufige Gründe für das Scheitern werden von der Heinrich-Böll-Stiftung zum Beispiel mit „Fristüberschreitung, Themenausschluss und ein mangelhafter oder fehlender Kostendeckungsvorschlag“ angegeben.
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In Hessen ist das Bürgerbegehren gegen eine Bauleitplanung, wie es gerade wieder in Sachen Brauereiareal angestrebt wird, mit besonders strengen Formalia belegt. „In anderen Bundesländern kann man vollständig gegen eine Bauleitplanung vorgehen. In Hessen ist das nur in einer ganz frühen Phase der Fall“, erklärt Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Mediator, Dr. Klaus Berghäuser dazu. Der Aufstellungsbeschluss ist der entscheidende Moment, ein Bürgerbegehren anzustrengen. Acht Wochen Zeit haben die Initiatoren im Anschluss, genügend Unterschriften zu sammeln. Im Fall von Pfungstadt sind das mit zehn Prozent der Einwohner etwa 2000 Unterschriften. „Die Quoten und Fristen sind Fallen“, sagt Berghäuser.
Pfungstädter Beispiele dafür: 2012 sammelte eine Bürgerinitiative 528 Unterschriften aus Pfungstadt und Eberstadt gegen das laute Pfeifen auf der neuen Pfungstadtbahn. Im selben Jahr verfehlte eine Initiative der Pfungstädter Freien Wähler gegen den Bau eines Gartencenters das notwendige Quorum. 2017 wurde in Pfungstadt ein Bürgerbegehren gegen das geplante Haiaquarium „Shark City“ initiiert. 3040 Unterschriften wurden innerhalb der vorgegebenen Frist gesammelt, 1930 wären nötig gewesen, dennoch wurde das Verfahren aufgrund einer fehlenden Formalie vom Magistrat als nicht zulässig erklärt. Damals war es der fehlende Kostendeckungsvorschlag, der das Vorhaben zum Scheitern brachte. Die Initiatoren hätten einen Hinweis auf die Höhe des zu erwartenden Einnahmeausfalls durch den Nichtverkauf aufführen müssen.In Sachen Bürgerbegehren zur Brauerei ist die achtwöchige Frist nach der Veröffentlichung des Aufstellungsbeschlusses das Problem. Sie wurde nicht eingehalten.
Letzter Ausweg: Verwaltungsgericht
Ein Weg, der einer Bürgerinitiative dann noch bleibt, ist der Rechtsweg vor dem Verwaltungsgericht den die Anwältin der Bürgerinitiative „Brauen statt Bauen“ bereits angekündigt, hatte (wie berichtet). Ein Gerichtsverfahren kann sich auf den politischen Prozess auswirken: „In gewisser Weise kann man eine Bauleitplanung damit auch verzögern“, erklärt Berghäuser. Während der Zeit, bis über das Begehren entschieden ist, dürfe die Gemeinde keine vollendeten Tatsachen schaffen. „Das gebietet die Rechtsstaatlichkeit“, so Berghäuser.
Laut den Angaben von Bürgermeister Patrick Koch (SPD) wurde bereits eine Klage zum Brauereibegehren beim Verwaltungsgericht Darmstadt eingereicht, woraufhin die Verwaltung eine Stellungnahme abgegeben habe. „Wenige Tage später haben wir die Mitteilung bekommen, dass es kein Eilverfahren gibt, weil die Klage zurückgezogen wurde“, berichtet Koch. Das wird seitens der Pressestelle des Verwaltungsgerichts bestätigt.
Ohnehin muss das Begehren in den nächsten Wochen noch vom Magistrat bewertet und darüber von der Stadtverordnetenversammlung abgestimmt werden, das werde im Oktober oder November geschehen, sagt Koch.