Ehemalige Drogenabhängige Claudia Berger spricht in...

Vor 150 Achtklässlern der Lichtenbergschule Ober-Ramstadt erzählt die langjährige ehemalige Drogenabhängige Claudia Berger alias "Sheriff for Kids" ihre Geschichte. Fotos: Christina Kolb

Als Claudia Berger beginnt, über ihre Drogenkarriere zu berichten, wird es schlagartig still im Saal. Und das ändert sich auch die nächsten zwei Schulstunden nicht. 150...

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OBER-RAMSTADT. "Ich bin 43 Jahre alt, war 18 Jahre lang drogenabhängig, gewalttätig und vorbestraft." Als Claudia Berger beginnt, über ihre Drogenkarriere zu berichten, wird es schlagartig still im Saal. Mucksmäuschenstill. Und das ändert sich auch die nächsten zwei Schulstunden nicht. 150 Achtklässler der Georg-Christoph-Lichtenbergschule (GCLS) sitzen in der Stadthalle Ober-Ramstadt und hören gebannt zu. Claudia Berger erzählt den 14- bis 16-jährigen Jungen und Mädchen ihre emotional tief bewegende Geschichte, "weil mir jeder einzelne von euch wichtig ist", betont die langjährige Ex-Drogensüchtige. Seit fünf Jahren engagiert sie sich als "Sheriff for Kids" sowie als Mediatorin für gewaltfreie Kommunikation und ist an zahlreichen Schulen im Landkreis in der Suchtprävention unterwegs.

Berger setzt da an, wo andere an Grenzen stoßen

"Berger leistet ehrliche und authentische Prävention, sie setzt dort an, wo Lehrer, Eltern oder andere Projekte an ihre Grenzen stoßen", erklärt Thorsten Großkopf, Beratungslehrer für Suchtprävention der GCLS. Die Schule lade "Sheriff for Kids" seit drei Jahren regelmäßig ein, sagt er auf einem dem Schülervortrag folgenden Elternabend. Bei dem sind auch David Weiser, Jugendkoordinator der Polizei, Heinrich Hild, Vorstand des Darmstädter "Elternkreises suchtgefährdeter und suchtkranker Jugendlicher und Erwachsener" sowie Kooperationspartnerin Tanja Türk von "Ladies Full Power" zu Gast.

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"Mir ist nicht bekannt, dass es ein derartig wirkungsvolles Präventionsangebot noch mal im weiteren Umkreis gibt", sagt Heinrich Hild. Berger wisse durch ihren Background, warum Jugendliche Drogen konsumieren oder gewalttätig werden, wie sie sich fühlen und vor allem, wie man ihnen helfen kann, ergänzt Großkopf. "Sie ist mit den Kids auf Augenhöhe und fängt auch Schüler auf, die Hemmungen haben, uns Lehrer anzusprechen und so hinten runterfallen würden", so der Pädagoge. Polizei-Jugendkoordinator Weiser bestätigt: "Wir klären hauptsächlich über die strafrechtlichen Folgen auf, Frau Berger sensibilisiert durch ihre persönlichen Erfahrungsberichte, so erreicht sie die Kinder."

Das tut sie auch am Vormittag in Ober-Ramstadt: "Ich bin nicht stolz auf das, was ich im Rausch alles getan habe, ich konnte mich jahrelang nicht im Spiegel anschauen, weil ich mich selbst angewidert habe, ich habe Menschen verletzt und für meine Zwecke missbraucht", blickt sie heute zurück. Von den 40 Leuten aus ihrem früheren Bekanntenkreis "leben inklusive mir heute noch vier", sagt sie.

Aufgewachsen in einem sozialen Brennpunkt und gewalttätigem Umfeld in Darmstadts Akazienweg, lernte Claudia Berger schon als kleines Kind zuzuschlagen, statt zu fragen. Zwar kickte sie sich im Fußball bis in die Mädchen-Nationalmannschaft hoch. Lob und Verständnis erfuhr sie jedoch nie - weder im häuslichen, noch im sozialen Umfeld. Stattdessen: Drohung, Schlägerei, Angst. Und Albträume, jede Nacht.

Als sie mit 17 Jahren aus Neugierde ihren ersten Joint rauchte, merkte sie nach den ersten vier Zügen, wie die große Last von ihr abfiel, "mir war auf einen Schlag alles egal", stellte sie fest. Ziemlich schnell wurde die Droge für Berger zur Strategie, der Realität zu entfliehen - und schließlich zum Feind. Sie kiffte, kokste, sniefte, trank, warf sich Pillen ein, dröhnte sich zu.

Dass ein Freund aus ihrer Gang, der ihr sehr nahe stand, während eines gemeinsamen Clubbesuchs an einer Überdosis "in meinen Armen verreckt ist", ist ein Erlebnis, das die damals 19-Jährige heute noch belastet. Unter Drogen "wird man zu einem Stück Scheiße, ist zu Dingen fähig, die man sonst niemals tun würde, belügt und beklaut seine eigene Mutter", warnt sie die Schüler. Sieben Mal hatte sie eine Überdosis, die letzte vor acht Jahren, "ich kotzte mir die Seele aus dem Leib, pinkelte in die Hose". Jedes Mal überlebte sie nur knapp.

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Durch Zufall oder Schicksal schaffte sie es aus der Drogen-Misere heraus, machte kalten Entzug, ließ ihr altes Leben hinter sich, hat aber heute noch mit den Folgen zu kämpfen. Mit "Sheriff for Kids" hat Claudia Berger ihre Lebensaufgabe gefunden, will mit ihren Erfahrungsberichten andere warnen.

Die Jugendlichen sind nach Bergers Vortrag ergriffen: "Da überlegt man zehnmal, ob man jemals eine Droge anrührt", sagt Denise, 16 Jahre. Jennifer (15) hatte während des Vortrags "immer wieder ein Gänsehautgefühl, mir war es eine Warnung". Und Schulkameradin Katharina (14) sagt: "Wir wussten nicht, dass Drogen so krass wirken."