Mühltal: Eine Gemeinde der Müller und Bäcker

Die Quicksmühle auf einer Darstellung um 1930. Ab 1900 wurden dort Celluloidwaren hergestellt. Archivfoto: Karl Heinz Schanz
© Archivfoto: Karl Heinz Schanz

Der Traisaer Heimatkundler Karl Heinz Schanz hält die Geschichte des Mühltals lebendig. Er erzählt von einst den 25 Mühlen.

Anzeige

MÜHLTAL. Bruchmühle, Schachenmühle, Brückenmühle – auf dem Gemarkungsgebiet Nieder-Ramstadt entlang der Modau gab es früher 25 Mühlen. Der Traisaer Karl Heinz Schanz weiß: „Der Ort war eine Müller- und Bäckergemeinde und die Mühlen wurden hauptsächlich zur Mehlherstellung genutzt.“ Als geschichtsinteressierter Bürger kennt er die Historie seiner Heimat genau und weiß auch, wie Mühltal zu seinem Namen kam.

1977 wurde die Gemeinde im Zuge der hessischen Gebietsreform gegründet, die verschiedenen Ortsteile dabei zu einer Großgemeinde zusammengelegt und diese Mühltal genannt. Der mittlere Teil des Modautals, der sich weitestgehend mit dem neuen Mühltal deckt, wurde laut Schanz schon vorher so bezeichnet.

Urkunde von 1360 erwähnt die Quicksmühle

Mühlen gab es auf dem Gemarkungsgebiet schon früh: Eine der ersten Nennungen stammt aus einer Urkunde aus dem Jahr 1360, in der von der Quicksmühle von Heinrich Quicke in der Nieder-Ramstädter Bahnhofsstraße die Rede ist. „Insgesamt standen an dieser Stelle gegenüber einem heutigen Elektrogeschäft drei Quicksmühlen: die Obere, die Mittlere und die Untere. Es steht nur noch das Gebäude der Unteren Quicksmühle, das aber nur zu Wohnzwecken dient.“

Anzeige

Das starke Vorkommen von Mühlen in Nieder-Ramstadt schreibt Schanz der Modau und deren günstiger Strömungskraft für den Mühlenbetrieb zu. „Die Mühlen wurden daher allesamt wasserbetrieben.“ Zum Zwecke der Arbeitsteilung, berichtet Schanz, hatten die Gebäude im Mittelalter aber meistens mehrere Besitzer: „In der Regel teilten sich ein Müller und zwei bis drei Bäcker einen Standort und arbeiteten als Genossenschaft zusammen.“ Die Backwaren aus Mühltal wurden damals weit ins Umland ausgefahren, bis nach Worms und Bensheim.

Im 19. Jahrhundert wurde der Betrieb der Mühlen schließlich nach und nach vom Wasser- auf Motorenantrieb umgestellt. „Zu dieser Zeit kamen gerade die ersten Dieselmotoren auf“, erzählt Schanz. Schon vorher jedoch habe in der Gegend ein Mühlensterben begonnen, das der aufkommenden Industrialisierung geschuldet war. „Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden immer mehr kleinere Mühlen stillgelegt, nachdem entlang von Main und Rhein die ersten Großmühlen errichtet worden waren. Die Kleinen konnten nicht mehr mithalten.“ Heute gibt es keine einzige Getreidemühle mehr in Mühltal: Außer in der Pulvermühle unterhalb der Illigschen Papierfabrik, die von den Besitzern zur Stromherstellung eingesetzt wird, dreht sich seit 1979 kein Mühlrad mehr. Die Wasserrechte der noch bestehenden Mühlengebäude seien an den Mühlenstandort gebunden, sagt Schanz. „Die einzige Mühle im Umkreis, die noch wie einst Getreide mahlt, ist die Schlossmühle in Ober-Ramstadt.“

Trotz der Tatsache, dass die Mühlen in Mühltal nicht in ihrer ursprünglichen Funktion überlebt haben, ist Karl-Heinz Schanz von diesem Thema fasziniert. „Die Mühle war die erste industrielle Arbeitsmaschine, die zudem die Ernährung sicherte.“ Kartoffeln oder Reis gab es damals nicht, die Menschen ernährten sich hauptsächlich von Getreideprodukten. Schanz ist sich sicher: „Ohne Mühlen wäre unsere Gesellschaft heute nicht mehr da.“

Von Miriam Gartlgruber