Der Geruch von Holz und frischem Lack strömt in die Nase, Sägegeräusche sind laut zu hören, das Radio spielt im Hintergrund – die Mitarbeiter sind fleißig am Sägen,...
DARMSTADT-DIEBURG. Der Geruch von Holz und frischem Lack strömt in die Nase, Sägegeräusche sind laut zu hören, das Radio spielt im Hintergrund – die Mitarbeiter sind fleißig am Sägen, Hobeln, Schrauben und Lackieren. Wer die Tischlerei „Resch Innenausbau“ in Babenhausen betritt, dem wird schnell klar: Der Betrieb läuft.
„Die Auftragssituation ist gut“, sagt der 53 Jahre alte Senior-Chef Andreas Resch. Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine da: Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schätzten 2017 rund 93 Prozent der Handwerksbetriebe ihre Geschäftslage als „gut“ oder zumindest „befriedigend“ ein. Dennoch hat das Handwerk ein Problem, und zwar vor allem ein demografisches: Bis 2020 plant laut ZDH bundesweit jeder vierte Firmeninhaber, seinen Betrieb an einen Nachfolger abzugeben – oder hat dies bereits getan. Das ist das Ergebnis einer Erhebung, die bereits 2015 erstellt worden war, gemeinsam mit 40 Handwerkskammern.
Rund ein Fünftel der Inhaber ist aus Altersgründen auf der Suche nach jemand, der das Geschäft weiterführt. 6,6 Prozent der Befragten gaben sogar an, ihren Betrieb ganz zu schließen. Besonders betroffen von der Nachfolgesuche seien mittelgroße Handwerksbetriebe mit fünf bis neunzehn Beschäftigten.
Der Trend geht zum Studium
Die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main bestätigt dies: „Aktuell muss sich bundesweit jeder fünfte Unternehmer Gedanken machen, wie es weitergeht. Das ist in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main nicht anders“, teilt Patricia C. Borna, Pressesprecherin der Handwerkskammer, mit. Die Tendenz sei sogar steigend.
Um der Schließung vorzubeugen und mit gutem Gefühl den eigenen Betrieb abzugeben, braucht es einen geeigneten Nachfolger. Die Suche nach solch einem stellt viele Handwerksbetriebe vor eine Hürde. Laut Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main sei die demografische Entwicklung der Gesellschaft und die Akademisierung, also der Trend, dass immer mehr junge Leute Abitur machen und studieren, anstatt eine praktische Ausbildung anzustreben, ein Mitgrund für das Problem.
Durch die demografische Entwicklung und das Fehlen von Nachwuchs sinke laut ZDH auch die Zahl der übernahmewilligen 25- bis 45-jährigen potenziellen Unternehmer. Diese Altersgruppe gilt als besonders „gründungsaktiv“ und „übernahmewillig“.
„Das Handwerk ist einfach nicht mehr so in den Köpfen der Leute“, sagt Andreas Resch zu dem Problem. Auch dass der Nachwuchs den Familienbetrieb übernimmt, ist nicht mehr die Regel.
Kommt aber auch noch vor, beispielsweise in Babenhausen. Tischlermeister Andreas Resch muss sich keine Gedanken um einen geeigneten Nachfolger machen. Sein ältester Sohn Magnus ist seit zwei Jahren Junior-Chef in seinem Betrieb. Magnus Resch entschloss sich, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten. Denn auch seine Mutter Sabine ist Tischlerin. „Moment, ich muss mich erst schnell abblasen“, sagt der 23-jährige Tischlermeister, bevor er die Treppe ins Besprechungszimmer zu seinem Vater hochgeht – denn Magnus’ Arbeitskleidung ist noch voll mit Sägespänen. Vater Andreas hingegen trägt ein blaues Hemd, Jeans und Lederschuhe. Mit dem Ablegen der Arbeitshose habe sich nicht nur sein Erscheinungsbild verändert, sondern auch die Arbeit, erklärt Resch Senior. Er kümmert sich, seit sein Sohn mit in der Firma arbeitet, vor allem um alles im Hintergrund, wie Kundenakquise und unternehmerische Strategien.
Unter seinen 16 Mitarbeitern sind zurzeit acht in Ausbildung. Junge Fachkräfte auszubilden sieht Resch auch als einen Weg, ein attraktiver Betrieb zu bleiben. Attraktiv zu sein und zu modernisieren, sich breiter aufzustellen, ist für Resch Voraussetzung für Erfolg: „Wer es schafft, sich und seinen Betrieb weiter zu entwickeln, und mit der Zeit geht, hat auch gute Zukunftschancen“, sagt er. „Als Tischler haben wir es etwas leichter, weil man sich gut einbringen kann.“
Dass das Handwerk aus demografischen Gründen ausstirbt, glaubt Andreas Resch nicht. Allerdings glaubt er, dass „das alte System, so wie es in den letzten Jahrzehnten gelaufen ist, tot ist“. Diese Einschätzung bestätigt auch die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main: Vor allem die Tischlereien seien durch einen größeren Strukturwandel hindurchgegangen und haben sich vor allem in der hochpreisigen oder Spezialitäten-Nische etabliert. Diejenigen, die dies verpasst haben, würden durch potenzielle Übernehmer auch nicht als attraktiver Übernahmebetrieb angesehen und könnten dann oft nicht weitergeführt werden.
Auch eine nicht repräsentative Umfrage des ECHO unter etwa 20 Tischlereien im Kreis hat ergeben, dass solche Betriebe hier weniger Probleme haben, einen geeigneten Nachfolger zu finden, als Kollegen in anderen Branchen.
Die Strukturen in seinem Betrieb hat Andreas Resch seit der Gründung vor 25 Jahren immer wieder verändert. „Handwerksbetriebe haben es nötig, den Kunden anzusprechen“, weiß auch Sohn Magnus. Während seiner Meisterschule hat er sich intensiv mit dem Thema Marketing, Psychologie und der Frage „was der Kunde sehen will“ auseinandergesetzt. Das erlernte Wissen setzt er jetzt gezielt im Familienbetrieb ein. Gemeinsam mit einer Grafikerin kümmert er sich um die Gestaltung des Internetauftritts. Dort könne man dem Kunden seine Referenzen und seinen Betrieb gut präsentieren, erklärt Magnus Resch.
Aber auch potenzielle Nachfolger können sich über professionell gestaltete Homepages einen schnellen Überblick verschaffen. Eigenschaften, die so ein potenzieller Nachfolger mitbringen muss, sind neben einem Vertrauensverhältnis zwischen Alt und Jung auch ein gewisses Gespür für Kunden. Andreas Resch hat die Erfahrung gemacht, dass gleich ob privat oder geschäftlich, es den Kunden sehr wichtig ist, dass der Chef jederzeit für Rückfragen zur Verfügung steht. „Wenn ich sag’, mein Sohn kümmert sich, weil ich Vertrauen in ihn hab’, dann haben die Kunden auch Vertrauen in ihn”, sagt Andreas Resch.
Das Vertrauen schenkt er nicht nur seinem Sohn, weil er die nötigen Fachkenntnisse besitzt, „auch der Umgang mit Mitarbeitern und Kunden ist Top.“ Andreas Resch hat Glück, mit Familienpower seinen Betrieb weiterzuführen. Tendenziell hätte er sich aber auch einen externen Nachfolger vorstellen können.
Wann er ganz loslassen wird, kann der Tischlermeister noch nicht sagen. „Es wird keinen Tag X geben, an dem ich plötzlich nichts mehr mache. Die Erfahrung, die ich habe, kann ich irgendwo weiter einsetzen.“ Mit der Gewissheit, dass sein Sohn den Betrieb eines Tages übernehmen wird, könne er ganz andere Investitionen tätigen, denn er weiß, er investiert in die Zukunft. Damit auch in Zukunft in der Tischlerei Resch gehobelt, gesägt, geschraubt und lackiert werden kann.