Weil Schüler keine Schutzmasken trugen, mussten sie den Bus verlassen. Handelten der Verkehrsbetrieb Heag Mobilo und die Polizei unverantwortlich?
DARMSTADT-DIEBURG. Vergangene Woche passierte an der Haltestelle Neues Rathaus in Seeheim folgendes: Insgesamt sechs Schüler, die gegen 12 Uhr mit einem Heag-Bus der Linie BE 1 auf dem Weg nach Hause vom Schuldorf Bergstraße in Richtung Darmstadt-Eberstadt waren, mussten den Bus verlassen, weil sie keine Schutzmasken trugen. Darunter auch mindestens eine 13-Jährige.
Heag bestätigt den Zwischenfall
Heag-Kontrolleure forderten sie auf, auszusteigen. Draußen an der Haltestelle nahmen sie, unter Begleitung von Polizei, die Personalien auf und gaben den Kindern und Jugendlichen Bußgeldbescheide über 50 Euro mit nach Hause. So berichtet es der Roßdörfer Kurt Müller, dessen 13 Jahre alte Enkelin unter den Betroffenen war. Und so bestätigt es auch der Verkehrsbetrieb Heag Mobilo. Über die Bewertung des Vorfalls sind sich die beiden Parteien jedoch uneinig.
„Rein rechtlich war die Kontrolle okay, aber wo bleibt das Fingerspitzengefühl unserer Ordnungshüter?“, fragt Müller. Er betont, kein Maskenverweigerer zu sein. Gleiches gelte für seine Enkelin, die sich im Moment der Kontrolle in einem angeregten Gespräch mit Mitschülern über eine Klassenarbeit befunden und deshalb die Maske abgezogen habe.
Was den Großvater aufbringt, ist vielmehr, dass alle an der Kontrolle beteiligten Erwachsenen die Kinder und Jugendlichen nach dem aufwühlenden Erlebnis alleine gelassen hätten. Neben den Kontrolleuren waren Kommunalpolizisten des Ordnungsamts und ein Oberkommissar der Polizeistation Pfungstadt, der auch Schulpolizist des Schuldorfs Bergstraße ist, vor Ort, wie das Polizeipräsidium Südhessen und die Gemeinde Seeheim-Jugenheim bestätigen.
Keiner der Erwachsenen fragte, wie sie nun nach Hause kommen.
„Der Bus setzte seine Fahrt fort und die Schülerinnen und Schüler wurden an der Haltestelle zurückgelassen, obwohl sie bereit dazu gewesen waren, bei Weiterfahrt ihre Masken zu tragen, die sie mit sich führten“, sagt Müller. „Keiner der Erwachsenen fragte, wie sie nun nach Hause kommen.“
Kontrolle für Schüler aufwühlend
Der nächste Bus wäre laut Fahrplan 30 Minuten später gefahren. Die Kinder hätten die Eltern angerufen, die sie dann abgeholt hätten. Doch nicht alle hätten ihre Eltern per Handy informieren können, so Müller. „Sie einfach auf sich gestellt zu lassen, das ist unverantwortlich.“ Die Kontrolle sei für die Schüler ein aufwühlendes Erlebnis gewesen. „Meine Enkelin war von den Vorgängen geschockt. Sie berichtet noch heute in großer Aufregung, wenn über die Aktion gesprochen wird.“
Lennart Sauerwald, Pressesprecher der Heag Mobilo, sagt dazu: „Während einer solchen Kontrolle besteht die Befugnis, Personen vor Ort bis zur Aufnahme von Personalien und der Erörterung des Sachverhalts zum festgestellten Verstoß festzuhalten. Eine Weiterfahrt war für alle kontrollierten Personen vor Ort ohne Weiteres möglich und lediglich mit einer Anschlusswartezeit verbunden.“ Die Schüler hätten jederzeit die Gelegenheit gehabt, „die Ordnungskräfte vor Ort und unser Prüfpersonal anzusprechen“.
Polizeisprecherin Kathy Rosenberger: „Vor Ort ist niemand an unseren Oberkommissar herangetreten, um ihn nach Hilfe zu fragen.“ In einer Vorbesprechung mit der Heag Mobilo sei vereinbart gewesen, dass Überprüfte weiterfahren dürften, wenn sie für die Weiterfahrt eine Maske anziehen. Die Pressestelle der Gemeinde Seeheim äußert sich nicht zu dem Punkt und verweist darauf, dass die Fahrgastkontrolle „von der Heag Mobilo veranlasst und durchgeführt“ worden sei, weshalb diese der Ansprechpartner sei.
„Ausstellungen der Vertragsstrafe”
Der Roßdörfer Kurt Müller fragt sich, ob Kontrolleure überhaupt Kindern unter 14 Jahren, die ohne Eltern oder andere Aufsichtspersonen unterwegs sind, Bußgeldbescheide aushändigen dürfen. Und er vermisst auf dem Schreiben die Angabe einer Widerspruchsstelle. Dazu Heag-Sprecher Sauerwald: „In der Regel werden Bescheide über ein erhöhtes Beförderungsentgelt erst an über 14-Jährige ausgestellt. Unter 14-Jährige werden im Dialog sensibilisiert. Grundsätzlich ist uns wichtig, dass auch vonseiten der Eltern darauf eingewirkt wird, dass Busse und Bahnen nur in Verbindung mit dem Tragen einer Maske genutzt werden dürfen.“
Die Erziehungsberechtigten, so Sauerwald, könnten sich unter Nennung der Bearbeitungsnummer bei der Heag Mobilo melden oder an die Mitarbeitenden im Kundenzentrum am Luisenplatz in Darmstadt wenden, dann würden die Fälle nach Prüfung geschlossen. Anhand der Angaben auf den Bußgeldbescheiden, die offiziell „Ausstellungen der Vertragsstrafe“ heißen, sei deutlich zu erkennen, dass die Heag Mobilo der Aussteller sei und auf der Heag-Website seien die Kontaktmöglichkeiten genannt.