Ob in Weiterstadt, Pfungstadt oder Griesheim: für tausende Bürger ist es ein großer Spaß, bunte Steine zu suchen und auf Wanderschaft zu schicken. Doch die Aktion sorgt auch...
WEITERSTADT/GRIESHEIM/PFUNGSTADT. Ein rot bemalter Stein mit indianisch anmutendem Muster liegt auf einer Verkehrsinsel beim Rathaus im Weiterstädter Stadtteil Riedbahn. Der farbenfrohe Kiesel ist kein Einzelfall. Auch an vielen anderen Stellen in Weiterstadt und anderen Städten und Gemeinden wie zum Beispiel Griesheim und Pfungstadt tauchen seit ein paar Tagen farbig bemalte, etwa tischtennisballgroße Steine auf. Man muss nur die Augen dafür offen haben.
Wer einen findet, soll sich freuen. Und das ist auch die Idee hinter dem Projekt, das in Weiterstadt "Trampersteine", in Griesheim "Griesemer Schdoo" und in Pfungstadt "Modauer Steine" heißt. Der Trend komme ursprünglich aus Großbritannien, erklärt Kathrin Keil vom Bürgerverein "Die Riedbahner" in Weiterstadt. "Da waren das allerdings nicht farbig bemalte Steine, sondern Steine mit einem Satz oder einem Spruch", schildert die Initiatorin der Trampersteine. Stein und Sprüchlein sollen dem Finder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. In den USA sind die farbigen Steine als "Painted Rocks" bekannt.
"Wir haben für das Fest 'Meet & Eat' im Bürgertreff Riedbahn mit den Wandersteinen angefangen", schildert Keil den Start vor wenigen Tagen. Ihre Tochter und Freunde hätten rund 200 Steine - die ursprünglich kreideweiß waren - bemalt. Unterstützung bekamen sie beim Fest von Kindern, die von der Aktion begeistert waren, wie Keil auf der Facebookseite der Aktion schildert. Jeder der wollte, konnte sich einen Stein mitnehmen. Doch damit ist die Aktion noch nicht vorüber. Denn die Steine sollen auf Wanderschaft gehen und Menschen erfreuen. "Aber nicht wie Ostereier verstecken", bittet Kathrin Keil, die "Trampersteine" sollen ja gefunden, aufgehoben, wieder ausgesetzt werden und auf Reisen gehen. Daher sollten sie schon sichtbar in der Landschaft oder der Stadt verteilt werden. Man könne auch selber Steine bemalen und aussetzen, regt Kathrin Keil an.
Fast 1400 Mitglieder
Diesem Aufruf folgen nicht nur Weiterstädter. "Meine Bitte ist, dass wir vom Verein Fotos von den Steinen bekommen, damit wir wissen, wo die Trampersteine inzwischen sind", sagt Kathrin Keil. Die Fotos könne man an kontakt@die-riedbahner.de mailen oder bei der Facebook-Gruppe "Tramper Steine Weiterstadt" posten. Die Aktion kommt an. Seit Gründung der Facebook-Gruppe in Weiterstadt machen 44 Menschen mit.
Weiterstadt ist nicht die einzige Kommune im Landkreis, in der bunt bemalte Steine auf Reisen gehen. In Griesheim hat die Facebook-Gruppe "Griesemer Schdoo" bereits 176 Mitglieder. Dabei wurde sie erst am 9. August gegründet. Die Pfungstädter sind noch eifrigere Steine-Bemaler. Fast 1400 Mitglieder hat die Seite Modauer Steine, die vor etwa zwei Monaten online ging. Es sieht ganz so aus, als ob sich die Steine gegenseitig besuchen. "In Darmstadt wurden welche auf der Mathildenhöhe gesehen", schildert Kathrin Keil. Ein weiterer Weiterstädter Stein wird demnächst wahrscheinlich im Zillertal auftauchen, weil dort eine Weiterstädter Familie ihren Urlaub verbringt und einen der Trampersteine mitnimmt. Wer sich die Fotos auf den Facebook-Seiten betrachtet, entdeckt unter ihnen regelrechte Kunstwerke. Auf den Steinen prangen bekannte Logos, Comicfiguren, Fabelwesen, Städtewappen, aufwendige Muster und auch immer wieder das Lilien-Logo vom SV Darmstadt 98. Manche Steine sehen aus wie Schokoriegel und ein Spaßvogel hat einen Findling bemalt. "Nimm mich mit. Schwächling!", steht darauf.
Steine auswildern
Auch für kleine Dramen sorgt die Aktion. Denn so mancher Stein ist verschollen. Darüber kann Martina Jäger aus Griesheim ein Lied singen. "Meine jüngste Tochter ist ganz traurig, weil sie nicht weiß, wo ihr Stein abgeblieben ist", erzählt die 37 Jahre alte Griesheimerin dem ECHO. Wie so oft seit einigen Wochen hat sie mit ihren Kindern Steine bemalt. "Wir nehmen dazu Steine aus dem Baumarkt und Acrylfarbe und meine Tochter hat einen wunderhübschen Stein kreiert mit Glitzer obendrauf", sagt sie.
Mit anderen steinigen Kunstwerken haben sie den Stein in Griesheim ausgewildert. Und tatsächlich: am nächsten Tag war er weg. "Doch leider hat sich der Finder nicht bei der Facebook-Gruppe gemeldet", bedauert Martina Jäger. "Und da gerade bei meiner Kleinen der Abschiedsschmerz bei jedem einzelnen Stein so schwer wiegt, musste eine Lösung her", schildert die Mutter weiter. Daher erzählt sie ihrer Tochter nun seit ein paar Tagen die Gutenachtgeschichte von einem Stein, der am Ufer eines Flusses lag, den Schiffen hinterher sah und sich wehmütig fragte, was diese wohl alles zu sehen bekommen. Bis ein kleines Mädchen vorbeikam, ihn aufhob, mit nach Hause nahm, wunderschön bemalte und auf Reisen schickte. "Jetzt muss ich ihr jeden Abend von einer neuen Station seiner Reise erzählen", sagt Martina Jäger und lacht. Sie hofft noch immer, dass sich der Finder über Facebook meldet und ein Foto vom Stein und dem aktuellen Standort postet. Dass einige Steine verschollen sind, erklärt sie sich damit, dass vielleicht viele Menschen gar nicht wissen, was es mit den bunten Kieseln auf sich hat.
Viele kommentieren die Steinbilder online
Die Aktion erfülle ihr Ziel, findet Martina Jäger. Sie spricht aus eigener Erfahrung. "Ich habe selbst auch einen bemalten Stein gefunden, und zwar vor der Gaststätte von TuS Griesheim. Da hab ich mich total gefreut", sagt sie. Auch der Austausch mit anderen Steine-Fans bringe die Aktion ins Rollen: "Man muss sich nur mal all die vielen Kommentare zu den Fotos auf Facebook anschauen, da ist richtig was los", sagt sie.
"Doppeltes Glück an einem Tag für meine Tochter!", steht zum Beispiel bei der Pfungstädter Gruppe unter einem Foto zweier Steine. Und weiter: "Wir sammeln jetzt und werden selbst zu Künstlern und Auslegern der Modausteine." Auch Martina Jäger hat das Steine-Fieber längst erwischt: "Wir haben nur noch Schdoo im Kopf".