Viele Städte wollen mit der Absage ein Zeichen gegen die problematische Menschenrechtslage im Gastgeberland Katar setzen. Ein Stimmungsbild aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg.
KREIS DARMSTADT-DIEBURG. Hessische Städte wie Frankfurt oder Hanau haben sich klar gegen Public Viewing bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar entschieden. Viele wollen mit der Absage ein Zeichen gegen die problematische Menschenrechtslage im Gastgeberland Katar setzen. Die arabische Halbinsel steht als Ausrichterland schon lange in der Kritik, wenn es ums Thema Menschenrechte geht. Auch in Darmstadt lehnen zahlreiche Wirte und Veranstalter eine Übertragung ab (wir haben berichtet). Wie ist die Lage in Darmstadt-Dieburg?
„Aufgrund der Menschenrechtslage in Katar haben wir uns bereits vor einem halben Jahr dazu entschlossen, kein Public Viewing bei uns im Vereinsheim anzubieten“, nennt Matthias Wanitschek vom Vorstand des SV Münster, den Grund für die Absage einer Live-Übertragung. In der Vergangenheit hatte der Sportverein stets Fußballspiele mit vielen Besuchern im Sommergarten oder Vereinsheim angeboten. „Normalerweise hätten bei uns im Innenbereich 200 Leute Platz, es wäre also gut möglich gewesen“, so Wanitschek. Da es ohnehin eine nicht geplante Zusatzveranstaltung gewesen wäre, gingen wenigstens auch keine Einnahmen flöten.
Pizzabäcker Michele Cirillo, Inhaber der Pizzeria „Klein Italien“ in Ober-Modau, der WM-Spiele für seine Gäste immer schon live gezeigt hat, plant hingegen, die WM-Spiele auch diesmal zu übertragen. „Der Fernseher läuft für unsere Gäste, und wenn es das Wetter zulässt, werden wir auch draußen etwas anbieten, auch wenn im Winter nicht die beste Jahreszeit dafür ist“, erzählt er. Wie immer bei besonderen Ereignissen wird es auf seiner Speisekarte eine von ihm extra kreierte „WM-Pizza“ geben. Wie die genau aussehen soll, will Cirillo aber noch nicht verraten.
Auch der Clube Operário Português in Groß-Umstadt will trotz der umstrittenen Lage im Ausrichterland Spiele in seiner großen Halle in der Georg August Zinn-Straße zeigen. „Wir wissen natürlich um die Probleme in Katar. Der Sport steht aber bei uns im Vordergrund, Fußball soll alle zusammenhalten“, sagt der erste Vorsitzende des Vereins, Tiago Matos. Man werde zumindest die Deutschland- und Portugal-Spiele „auf alle Fälle übertragen“, betont er. Maximal 400 Personen haben nach seiner Auskunft in dem Saal mit großer Bühne und Beamer Platz. Sollte sich die Corona-Lage verschärfen, werde man eventuell auf 150 Personen begrenzen müssen. „Aber auch in diesem Fall haben wir vor, Public Viewing anzubieten“, sagt Matos.
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Beamer eingeschaltet werden auch im Pfungstädter Brauereigasthof. Hier können bis zu 100 Gäste die Fußballmatches auf einer großen Leinwand verfolgen. „Für uns geht’s hier um Fußball und nicht um Politik oder Moral, wir werden zumindest die Deutschlandspiele zeigen und je nach Resonanz dann abwägen, ob wir auch andere Spiele übertragen“, sagt dazu Mitbetreiber des Gasthofs, Aymen Kachabia. Dabei spiele auch eine Rolle, ob er Personal findet: „Denn manche Spiele finden nachmittags statt, wo wir normalerweise geschossen haben“, sagt er. Hinsichtlich der Coronalage blieben die genauen Planungen ohnehin abzuwarten. „Da müssen wir dann neu entscheiden“, sagt Kachabia.
Die Pandemie spielt für Jörg Zoller, Inhaber der Bar und Restaurant „Lehrer Lämpel“ in Dieburgs Zuckerstraße, zunächst keine Rolle. Aber hinsichtlich der prekären Zustände in Katar „tue ich mir persönlich sehr schwer mit einer Entscheidung“, betont er. Daher wird er demnächst eine Umfrage unter seinen Stammkunden machen und die Mehrheit für oder gegen Public Viewing in seinem Restaurant entscheiden lassen. „Wenn, dann zeige ich ohnehin nur die Deutschlandspiele“, erklärt Zoller. 40 bis 80 Leute könnten dann schauen, zwei Beamer, zwei Leinwände und Fernseher habe er. Die Verantwortlichen des TSV Lengfeld haben sich noch keine Gedanken zum Thema gemacht. „Die Möglichkeiten mit Beamer und Großleinwand hätten wir, und in der Vergangenheit haben wir Public Viewing immer mal für die Mitglieder angeboten“, sagt David Zulauf vom TSV-Vorstand.
Christoph Herrmann, der bereits mehrfach die „WM-Arena“ im alten E-Werk in Pfungstadt mit bis zu 500 Gästen organisiert hat, wird in diesem Jahr nichts anbieten. Das liege aber daran, dass das E-Werk nicht zur Verfügung stehe. „Natürlich ist die WM in Katar auch menschenrechtlich so eine Sache, die Entscheidung hat aber jemand anderes getroffen und die Leute wollen ja trotzdem Fußball schauen“, sagt Herrmann.