Groß-Zimmerns früherer Bürgermeister, Dieter Emig, half der Senio-Pflege in der Krise. Nun, da ausquartierte Mieter wieder einziehen durften, blickt er im ECHO zurück und voraus.
DARMSTADT-DIEBURG. „Wenn es nicht darum gegangen wäre, dass die alten Menschen endlich wieder in ihre Wohnungen zurück können, hätte ich vielleicht zwischendurch alles hingeschmissen – obwohl das gar nicht meine Art ist“, sagt Dieter Emig im Gespräch mit dem ECHO. Zu Jahresbeginn war er – als Retter in der Not – vom Landrat und anderen gefragt worden, ob er dem trudelnden öffentlichen Senio-Pflegeverband aus der Krise helfen will. „Ich sagte ja, und hatte danach niemanden, den ich etwas fragen konnte.“ Wichtige Unterlagen waren nicht verfügbar. Die eigene Terrasse wurde – da es für ihn kein Büro gab – Geschäftsstelle zur Abwicklung von 12 Millionen Euro teuren Neubauten.
Unprofessionell. Diese Beschreibung für die Arbeit des aus Steuergeldern bezahlten Pflegeverbands benutzt Dieter Emig immer wieder. Selbstverständliches sei auf unerklärliche Weise liegengeblieben; so gab’s bis zuletzt in den neuen Seniorenwohnungen kein Telefon. Niemand hatte daran gedacht es anzumelden. „Wäre der Balkon nicht heruntergebrochen und wären die Mieter nicht ausquartiert worden, hätte es zwar jede Menge Unzulänglichkeiten gegeben, aber es würde vermutlich niemand mehr drüber reden“, meint der bisherige Senio-Vorstandsvorsitzende aus Groß-Zimmern. Dabei gebe es viel zu bereden und zu überdenken. So sei nicht zu verstehen, dass die Kommunen Reinheim, Groß-Umstadt, Groß-Zimmern und Münster vor Jahren jeweils kostenlos ein Grundstück fürs dortige Senio-Haus hergaben, während nun an Groß-Bieberau und Niedernhausen von allen eine Pacht fürs Areal zu zahlen ist. Ein „irreparabler Fehler“ sei, dass diese beiden jüngsten Häuser für Betreutes Wohnen ohne Hilfe der Förderbank des Landes Hessen geplant und finanziert wurden. Als Folge sei – ohne Professionalität im Boot – viel Murks herausgekommen.
„Ich befürchte, dass die Mieten, die daraus resultieren, am Markt (in Niedernhausen und Groß-Bieberau) nicht durchsetzbar sein werden.“ Teure Leerstände wären die Folge, oder mal wieder Dauersubventionen der Steuerzahler im Kreis, wie zuvor jahrelang in Millionenhöhe für die Gersprenz-GmbH. Überhaupt: Da Senio zuletzt als Bauherr auftrete und es jedem gebrechlichen Mieter selbst überlasse, seine ambulante Pflege zu organisieren, stelle sich die Frage, ob dieser „Einstieg in immobilienwirtschaftliche Aktivitäten“ überhaupt noch dem Gründungszweck von Senio (Sicherung der Pflege im Ostkreis) entspreche; ja ob dies noch gemeinnützig sei. „Vermietungsgeschäft ist nach meiner Kenntnis kein steuerbegünstigter Zweck“, so Dieter Emig.
Erschreckende Versäumnisse seien über einen langen Zeitraum zu beobachten, unter wechselnden Vorsitzenden. Deshalb gebe es nicht nur individuelle Fehler, sondern ein Strukturproblem des Verbands. „Denn es gibt ja andere, gut bis hervorragend funktionierende Zweckverbände in der Region, wie für Wasser, Müll oder die Sparkasse.“
Der letzte Abschluss ist aus dem Jahr 2012
Die immer wieder von Krisen geschüttelte Gersprenz-GmbH und den Senioverband in die Kreiskliniken-GmbH zu überführen, wie es der Landrat seit Jahren anregt, „hätte den Vorteil, dass dann ein stabiler Hintergrund da wäre“, so Emig. Dennoch sei zu hinterfragen, „ob wir auf Dauer in den freien Wohnungsbau einsteigen wollen“. An den Kosten, nun zumindest für einen Übergang einen bezahlten Senio-Geschäftsführer zu suchen und einzustellen, führe kein Weg vorbei. „Der letzte genehmigte Senio-Jahresabschluss ist fürs Jahr 2012. Wer würde jetzt einen solchen Verband übernehmen?“
Nach acht kräftezehrenden Monaten im Ehrenamt, und dem endlich geglückten Wiedereinzug der alten Mieter, reist der 69-Jährige nun erstmal zum Urlaub nach Frankreich – und will dort nix mehr von Senio hören und lesen.
Von Reinhard Jörs