Aus Badespaß in Darmstadt-Dieburg soll keine Tragödie werden

aus Sommer in Südhessen

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Badesaison: Warum Badeseen gefährlich sind. Erlensee Bickenbach.
© Sascha Lotz

Immer wieder sterben Menschen beim Schwimmen in Baggerseen oder unbewachten Gewässern. Behörden warnen auch in diesem Jahr. Welche Unglücke sich im Kreis schon ereignet haben.

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Darmstadt-Dieburg. An heißen Sommertagen suchen viele Menschen die Nähe zum Wasser. Nicht nur Freibäder versprechen Abkühlung, auch Seen und Flüsse sind beliebte Ausflugsziele. Doch nicht alle Gewässer eignen sich. Manche werden sogar zur Gefahr für das Leben. Darauf wird hingewiesen, immer wieder. Auf Schildern, im Netz, in Mitteilungen. Die im Regierungspräsidium Darmstadt (RP) angesiedelte Bergaufsicht warnt auch in diesem Jahr wieder vehement vor dem Baden in Baggerseen und unbewachten Gewässern. Die Warnungen aber verlaufen sich oftmals im Sand. Und so kommt es wiederholt vor, dass der geplante Badespaß zur tödlichen Tragödie wird. Auch im Landkreis Darmstadt-Dieburg.

Eigentlich wollte er nur feiern. Der 23-Jährige, im Juni 2020. Der Aje-See zwischen Eppertshausen und Messel wurde dann zum Unglücksort. Mit einer Gruppe von rund 30 Menschen war der junge Mann aus Seligenstadt zum See im früheren Steinbruch aufgebrochen. Um Party zu machen, eine gute Zeit zu verbringen. Gegen zwei Uhr nachts soll er zum Schwimmen in den See gegangen sein, beobachteten Zeugen. Als der Mann plötzlich verschwand, wurden die Rettungskräfte alarmiert.

Die Suche nach einem 23-Jährigen, der am Aje-See vermisst wird, wurde am Montag abgebrochen.
Zwei Tage lang ist im Juni 2020 nach einem 23-Jährigen im Aje-See zwischen Eppertshausen und Messel gesucht worden.
© Dirk Zengel

Die Feuerwehr suchte den rund 30 Meter tiefen Anglersee mit Booten ab, auch eine Taucherstaffel und Rettungshunde waren im Einsatz. 36 Stunden nach dem Unglück sollte Spezialtechnik helfen. Mit einem Sonargerät wurde der See mit Schallwellen abgesucht – erfolglos. Die Suche nach dem 23-Jährigen wurde schließlich abgebrochen. Mehr als 200 Rettungskräfte hatten das Areal durchkämmt. Erst Wochen später wurde die Leiche zufällig durch einen Spaziergänger im Wasser entdeckt.

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Badeverbot im Aje-See zwischen Eppertshausen und Messel wird oft missachtet

Der Aje-See wird vor allem zum Angeln genutzt. Das Baden ist hier verboten. Aber: „An warmen Sommertagen ist das hier fast wie am Badesee“, berichtet Marius Murmann, Pressesprecher von Eppertshausen. Als stellvertretender Gemeindebrandinspektor war er bei dem Einsatz vor rund drei Jahren selbst dabei. An allen öffentlichen Zugängen zum Aje-See seien Warnschilder aufgestellt worden, erklärt Murmann. Auch eine Umzäunung sei kurz diskutiert worden. „Aber da wird dann drüber geklettert“, ist er sich sicher. Man stoße bei Maßnahmen schnell an Grenzen, zumal der See nicht der Gemeinde gehöre. „Da können wir eigentlich nur an die Vernunft der Menschen appellieren“, sagt Murmann.

Die Polizei kontrolliert den Aje-See in unregelmäßigen Abständen, wie Polizeisprecherin Katrin Pipping auf Nachfrage mitteilt. Derzeit befinde sich eine zusätzliche Streife in Planung, bestehend aus Schutzleuten vor Ort und dem Ordnungsamt Eppertshausen. In den vergangenen Wochen seien nur wenige Meldungen rund um den Anglersee verzeichnet worden, berichtet Pipping. Menschen, die etwa Natur oder Sonne genießen, werden auf das Badeverbot hingewiesen und über mögliche Gefahren aufgeklärt. Wer trotzdem schwimmen geht, kann ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro erhalten, so die Polizeisprecherin.

Zwei Todefälle im Erlensee in Bickenbach

Auch in Bickenbach haben sich in jüngerer Vergangenheit Todesfälle ereignet. Im Juli 2020 ist ein 19-Jähriger im Erlensee ums Leben gekommen. Der junge Mann aus Griesheim war dort mit Freunden schwimmen gegangen. Laut Polizeibericht sei der 19-Jährige plötzlich untergegangen. Nach einer halben Stunde konnten Taucher den Mann aus dem Wasser ziehen. Er wurde reanimiert und ins Klinikum Darmstadt gebracht, wo er einige Stunden später verstarb.  Ein Jahr zuvor verunglückte ein 35-Jähriger aus Polen. Auch er soll plötzlich im See untergegangen sein. Rettungstaucher und ein Hubschrauber suchten nach dem Mann, der etwa eineinhalb Stunden nach Eingang des Notrufes leblos im See gefunden wurde.

Der Erlensee ist eine ehemalige Kiesgrube, entstand in den 60er Jahren beim Bau der A5. Das Baden wird von der Gemeinde Bickenbach geduldet. Die aber auch darauf hinweist, dass es sich nicht um eine überwachte Schwimmanstalt handelt. Heißt: Schwimmen ist erlaubt, auf eigene Gefahr. Und auch hier warnen Schilder. „Das ist die einzige Maßnahme, die wir als Gemeinde durchführen“, berichtet Bürgermeister Markus Hennemann (SPD). Daneben bleibe nur, ständig auf die Gefahren hinzuweisen, in Pressegesprächen oder öffentlichen Mitteilungen.

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Seit 2021 bietet der Bickenbacher Ortsverband der Johanniter eine Erste-Hilfe-Station am Erlensee an. In der Hochzeit der Sommersaison, an warmen Wochenenden. So oft, wie es die Ehrenamtlichen eben geschultert bekommen. Die Initiative der Johanniter stieß auch bei Hennemann auf offene Ohren. Die Ausbildung der Einsatzkräfte und die Rettungsausrüstung seien von der Gemeinde finanziert worden, erklärt er.

DLRG-Statistik: 355 Menschen in Deutschland ertrunken

„Laien können nicht abschätzen, welche Gefahren in den Seen lauern“, erklärt Leiter Frank Braunisch vom RP in einer Mitteilung. Das Baden in solchen Seen sei lebensgefährlich. Wegen Böschungsrutschungen oder nachgebenden Untergründen. Wegen Kaltwasser-Strömungen, die Schocks auslösen können. Was wie ein idyllischer Strand aussehe, könne schnell zur tödlichen Falle werden, heißt es.

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mindestens 355 Menschen ertrunken, wie ein Blick auf die aktuelle Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zeigt. Das sind 56 Todesfälle mehr als noch ein Jahr zuvor. Was sofort ins Auge springt: Rund 87 Prozent der tödlichen Unglücke haben sich in Binnengewässern ereignet, also in Seen, Flüssen, Teichen, Bächen oder Kanälen. Immer wieder appelliert auch die DLRG, nicht in unbewachten Gewässern baden zu gehen. Ein Appell an die Vernunft. Der nicht immer gehört wird.