Waldkindergarten Groß-Umstadt: Mehr Ruhe in der Natur

Außer einem Natursandkasten gibt es keine herkömmlichen Spielgeräte im Waldkindergarten. Oder anders betrachtet: Der gesamte Wald ist der Spielplatz. Foto: Ulrike Bernauer  Foto: Ulrike Bernauer
© Foto: Ulrike Bernauer

Greta (5) ist heute die Königin der Waldkindergartengruppe. Sie trägt eine goldene Krone, weil sie Geburtstag hat. Sie bekommt ein Geschenk, und ihre Mama hat Muffins für...

Anzeige

GROSS-UMSTADT. Greta (5) ist heute die Königin der Waldkindergartengruppe. Sie trägt eine goldene Krone, weil sie Geburtstag hat. Sie bekommt ein Geschenk, und ihre Mama hat Muffins für die anderen Kinder gebacken. Ein solcher Geburtstag findet wohl fast täglich in Groß-Umstadts Kindertagesstätten statt. Das Besondere an Gretas Geburtstagsfeier: Die Fünfjährige feiert mitten im Wald.

Greta besucht den Waldkindergarten, der 1999 gegründet wurde und mit 20 Kindern zurzeit voll belegt ist. Gab es am Anfang Bedenken, ob Kinder sich den halben Tag bei Wind und Wetter draußen aufhalten können, sei der Waldkindergarten inzwischen etabliert, so die Ansicht von Angelique Herrmann, Erzieherin seit der ersten Stunde – genauso wie Umweltpädagogin Doris Hillemann.

Eines fällt gleich positiv auf: der Geräuschpegel. Im Vergleich zu anderen Kitas ist es deutlich leiser. Das hängt zum einen damit zusammen, dass sich die Kinder auf sehr viel mehr Platz bewegen können als im geschlossenen Gebäude oder auf dem Spielplatz einer Einrichtung. Zum anderen sind die Kinder ziemlich selbstständig. Das Belagern einer der drei Erzieherinnen – neben Angelique Herrmann und Doris Hillemann gehört noch Cornelia Liebig zum Team – zählt nicht zum üblichen Verhalten im Waldkindergarten.

Messer in den Händen von Drei- bis Sechsjährigen

Anzeige

Den Kindern wird viel zugetraut, und das danken sie durch viel Eigenständigkeit. Messer in den Händen von Drei- bis Sechsjährigen – diese Vorstellung ist für viele Eltern ein Graus. Hier aber ist das selbstverständlich. Schnitzen und Stöcke bearbeiten gehört für die Kinder ganz selbstverständlich dazu.

Sie benötigen nicht viel Spielzeug – das zeigt sich, als sie ihren Aufenthaltsort vom Bauwagen zur Regenbogenhütte mitten im Wald verlagern. Bücher und Mal-Sachen hat Cornelia Liebig zwar in einem Trolley dabei, den meisten Kindern reicht allerdings das Spiel mit dem, was gerade da ist. Von einem Baumstamm kann man mithilfe eines Stocks herunterspringen, und ein Stock kann neben einem Halt, einem Schwert oder gegebenenfalls einem Kochlöffel alles sein. Emily und Greta hingegen benötigen nur ein Seil, um zwei Baumstämme zu umwickeln und das Gebilde als ihr Haus zu bezeichnen.

„Waldkinder entdecken, erfahren und lernen in und durch die Natur anschaulich und lebensnah. Kinder und Bäume haben eins gemeinsam: Sie brauchen genügend Platz zum Wachsen“, heißt es in der Konzeption des Waldkindergartens, der nicht autonom ist, sondern an das Haus der Kinder angeschlossen ist.

Die Kinder verbringen ihre Tage bei Wind und Wetter draußen; wenn es gar zu arg kommt, stehen zwei Bauwagen zur Verfügung. „Den Kindern macht das Wetter weniger aus als uns Erwachsenen“, ist die Beobachtung von Angelique Herrmann.

Sie sieht auch keine Probleme beim Übergang in die Schule. „Eingeschult werden nur Kinder, die die nötige Schulreife haben“, sagt Angelique Herrmann, die darauf verweist, dass die motorischen Fähigkeiten der Kinder durch den Aufenthalt im Freien sehr gut seien. Sie kann sich sogar vorstellen, dass sich bei einer höheren Personalausstattung auch jüngere Kinder häufiger im Wald aufhalten können.

Anzeige

In Dieburg haben die Grünen darüber nachgedacht, einen Waldkindergarten auch für unter Dreijährige aufzumachen. „Zwei, drei Tage im Wald wären mit Sicherheit machbar“, sagt Angelique Herrmann, „auch manch Dreijährigen müssen wir anfänglich noch wickeln.“ Sie kann der Idee Positives abgewinnen. Die Beziehung zur Natur ist umso intensiver und dauerhafter, je früher die Kinder an sie herangeführt werden.