Vom Niedergang des Dieburger Rochus-Krankenhauses

Thomas Basting arbeitet an einer Chronik über seine Jahre am Rochus-Krankenhaus in Dieburg. Es könnte heute noch bestehen, wenn Kirche und Politik ihm nicht die Unterstützung entzogen hätten, meint er. © Klaus Holdefehr

Thomas Basting fasst knapp 30 Jahre als Arzt am Krankenhaus in Dieburg in einer Chronik zusammen. Warum der Chirurg heute noch wütend ist.

Anzeige

DIEBURG. Auf dem Weg zum Baurecht für eine grundlegende Neubebauung des gut 9000 Quadratmeter großen Rochus-Areals in Dieburg kommt die Kommunalpolitik inzwischen recht zügig voran. Chirurg Thomas Basting, der fast 30 Jahre als Belegarzt an dem katholischen Krankenhaus gearbeitet hat, muss sich also sputen mit seiner Chronik, die er vor dem Spatenstich als CD vorlegen will.

Die Materialien – überwiegend Zeitungsausschnitte – füllen mehrere Ordner. „Es wird eine Geschichte des Niedergangs“, räumt der 67-jährige Mediziner im Ruhestand unumwunden ein und sein Blick ist dabei voller Trauer.

Fundament der medizinischen Versorgung

Voller Trauer – und auch immer noch mit ein wenig Empörung über das Ende einer Tradition, die 1336 mit dem Heilig-Geist-Spital begonnen hat, viele Jahre das Fundament der medizinischen Versorgung in der Stadt war und aus Bastings Sicht auch noch immer sein könnte, wenn Kirche und Politik dem kleinen Krankenhaus nicht irgendwann jedwede Unterstützung entzogen hätten.

Anzeige

So wird seine Chronik auch ein wenig zum politischen Statement – zur Kritik an der fortschreitenden Ökonomisierung des Gesundheitswesens, der zunehmenden Priorisierung der Kostenfrage über das Wohl der Patienten.

Die Liste der Vorteile, die Basting dem kleinen, zentral gelegenen Krankenhaus mit bis zu 180 Betten zuschreibt, ist lang. Erstens: „Es war immer ein Arzt da“ – also eine Art Notaufnahme an allen sieben Wochentagen, rund um die Uhr. „Dieburg ist zudem ein bedeutender Schul- und Gewerbestandort, und in unserer Ambulanz am Rochus haben wir jährlich 2000 bis 2500 Unfälle behandelt.“ Und, nicht zu vergessen: das Dieburger Gefängnis, „mit dem es eine gute Zusammenarbeit gab. Wir haben sehr dezent Gefangene behandelt.“

Schließung konnte nicht verhindert werden

Schließlich weist der Mediziner im Ruhestand auf die große Bedeutung der Gynäkologie und Geburtshilfe hin – mit der charismatischen Hebamme Gertrud Oesterling, deren Tochter noch bis 2014 Frauen im Rochus half, ihre Kinder zur Welt zu bringen. Der gute Ruf dieser Abteilung, ihre Vorreiterrolle bei der Transplantation von Nabelschnurblut und die Tatsache, dass mindestens die Hälfte aller Bewohner des ehemaligen Landkreises Dieburg im Rochus das Licht der Welt erblickt haben, konnte die Schließung nicht verhindern.

Das war ein Markstein des Niedergangs. Das Bistum Mainz wollte schließlich die Defizite des Betriebs nicht mehr aus der Kirchensteuer ausgleichen und verkaufte einen Anteil von 90 Prozent am Rochus und am Marienholspital in Darmstadt an das städtische Darmstädter Klinikum. Zum Juli 2016 wurde in Dieburg der Betrieb eingestellt.

Anzeige

Dabei hätte es Alternativen gegeben, meint Basting, der noch bis 2018 ambulant im Rochus operierte und dann in ein medizinisches Versorgungszentrum an der Kreisklinik in Groß-Umstadt wechselte. Er nennt beispielhaft die Neubaupläne auf dem Gelände des Konvikts, mit deren Verwirklichung ein anderes wirtschaftliches Fundament entstanden wäre.