Im Mörlenbacher Mordprozess erklären Fachleute, warum der Suizidversuch der Angeklagten scheitern musste.
DARMSTADT/MÖRLENBACH. Die wegen Mordes an ihren beiden Kindern angeklagten Mörlenbacher Zahnärzte waren am 31. August 2018 in der Garage in einem VW Golf mit laufenden Motor entdeckt und gerettet werden. Der Versuch, sich mit Autoabgasen zu vergiften, nachdem die Kinder getötet und deren Zimmer in Brand gesteckt waren, schlug fehl.
Der Toxikologe Professor Stefan Tönnes von der Frankfurter Rechtsmedizin erklärte am vergangenen Verhandlungstag, warum der Suizid misslang. "Der Auspuff des Autos hat kaum Kohlenmonoxid ausgestoßen", sagte der Mediziner und wies auf eine TÜV-Messung an dem Golf hin. Kohlenmonoxid (CO) ist ein farb-, geruch- und geschmackloses, aber giftiges Gas, weil es sich im Blut an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin bindet und so die Sauerstoffversorgung stört.
Das TÜV-Ergebnis war zu erwarten, das ergibt sich aus einem Gespräch dieser Zeitung mit dem Ingenieur Dr. Bernd Lenzen vom Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Fahrzeugantriebe an der Technischen Universität Darmstadt. "Wenn Sie einen Otto-Motor haben, der mit einem Drei-Wege-Katalysator arbeitet, dann emittiert der kaum noch Kohlenmonoxid oder Stickoxide", sagte der Ingenieur. "Nur in der allerersten Phase beim Kaltstart kommen die Schadstoffe ungereinigt raus." Aber nach zehn bis 15 Sekunden arbeite der Katalysator.
Im Blut der Angeklagten sind zwar erhöhte Kohlenmonoxidwerte nachgewiesen worden, die aber unter zehn Prozent lagen, als das Paar im Auto entdeckt wurde. "Zwischen null und zehn Prozent gibt es keine wesentlichen Beschwerden", erklärte Professor Tönnes. "Das ist der Bereich, den man auch durch Rauchen erreicht." Benommen waren die Angeklagten in der Situation, weil sie Schlaftabletten genommen hatten.
Tönnes sagte, er vermute, dass die Kohlenmonoxidwerte im Blut der Angeklagten höher waren, weil in dem Haus die Kinderzimmer gebrannt hatten. "Bei Bränden unter Luftabschluss kommt es dazu, dass sich Kohlenmonoxid entwickelt", erklärte der Rechtsmediziner. Da die Türen nicht komplett dicht waren, hätte das Kohlenmonoxid ins Haus entweichen können.
Warum das Haus nicht komplett abbrannte, erklärte am Mittwoch ein Brandgutachter des Landeskriminalamts. "Im gesamten Gebäude haben wir leichten Geruch von Otto-Kraftstoff gehabt", so der Ermittler. "Es sollte mehrere Brandstellen geben", beschrieb er, dass an mehreren Stellen Benzin ausgeschüttet und Grillanzünder verteilt waren. Auch sei die Tür zum Heizungskeller mit dem Öltank bewusst offengehalten gewesen. Aber die Feuer aus den Kinderzimmern breiteten sich nicht aus. "Wenn die Türen auf gewesen wären, hätten wir ein anderes Szenario gehabt", sagte der Brandermittler, "dann hätten wir die nötige Sauerstoffzufuhr gehabt." So aber sei es "ein zu fettes Gemisch und zu wenig Sauerstoff" gewesen.
Am vergangenen Verhandlungstag hatte die 46 Jahre alte Mutter geschildert, dass sie einen Rucksack mit wichtigen Dingen bei den Nachbarn deponiert hatte und dann wieder ins Haus zurückging. Die Unterlagen sollten bei der Zwangsräumung nicht verloren gehen, so die Angeklagte. Gesichert hatte die Polizei darin unter anderem 1850 Euro in bar, Festplatten mit Datensicherungen, eine Digitalkamera, EC-Karten der Kinder mit PIN-Nummern, Fahrzeugscheine (unter anderem Audi A2 und Porsche 996) und einen Zettel mit den Worten "Die Schildis sind noch draußen", womit die Schildkröten gemeint waren. Den Zettel will die Angeklagte geschrieben haben.
Der Prozess wird am 21. Mai im Darmstädter Landgericht fortgesetzt.