Der Bergsträßer Verein existiert seit 43 Jahren, neueste Einrichtung ist das Mutter-Kind-Haus in Heppenheim. Was mit den Spenden von „Echo hilft!“ passieren soll.
KREIS BERGSTRAßE. Das „Haus am Höllberg“ am Ortsausgang von Bensheim-Auerbach ist ein typischer Altbau: Die Decken der Zimmer sind hoch, die Flure verwinkelt. So lässt es sich wohnen – könnte man meinen. Doch insbesondere im Erdgeschoss, wo heute in erster Linie die modern ausgerüsteten Büroräume des Vereins für Kinderhauserziehung untergebracht sind, herrschten früher noch ganz andere Umstände. „Mein Büro war mal ein großer Schlafsaal für die Kinder, wir haben ihn inzwischen mit einer Trennwand geteilt“, berichtet Lothar Müller-Wimmer, der Geschäftsleiter des Vereins.
Und Räume dieser Art gab es viele im einstigen Kreisjugendheim an der Darmstädter Straße. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg seien hier „eigentlich viel zu viele Kinder“ untergebracht gewesen, sagt der Geschäftsleiter. Eine Privatsphäre gab es für die Heranwachsenden so gut wie nicht. Über Jahrzehnte. „Bis in die 70er, 80er Jahre lebten hier 56 Kinder“, so Müller-Wimmer. Selbst im Jahr 1995, als der Verein das Heim vom Kreis Bergstraße übernommen hat, seien es noch 28 Kinder und Jugendliche gewesen. Inzwischen wurde die Zahl nochmals halbiert, was in erster Linie am Konzept des Trägervereins liegt.
Am 1. Mai 1978 trafen sich mehrere pädagogisch interessierte Menschen, um den Verein für Kinderhauserziehung zu gründen. Viele von ihnen hatten laut Müller-Wimmer selbst in einer Heimeinrichtung an der Bergstraße gearbeitet. „Diese Einrichtung stand wohl kurz vor der Schließung, weil zu diesem Zeitpunkt Vorkommnisse aufgedeckt wurden, die man heute als Missstände bezeichnen würde: Hierzu zählte unter anderem – heute kaum vorstellbar – unzureichende Ernährung.“
„Das wollen wir anders und das können wir auch besser“, habe der Tenor der Vereinsgründer gelautet, so Müller-Wimmer. „Heime waren damals klassischerweise ,auf der Platte‘, also entfernt von den Städten und Dörfern beheimatet“, erinnert sich der Geschäftsleiter, der selbst seit 30 Jahren für den Verein tätig ist – zunächst als Erzieher, später als pädagogischer Leiter und nun als Chef der Geschäftsstelle.
In den einstigen Großeinrichtungen herrschten demnach strenge Regeln. Heime wurden eher als Besserungsanstalten verstanden, Züchtigungen waren an der Tagesordnung. Ganz im Gegenteil zu einem pädagogischen Konzept zur Förderung der benachteiligten Kinder und Jugendlichen. „Und das wollten unsere Gründer ändern.“
Zunächst einmal sollten die Kinder in die Kommunen gebracht, besser versorgt und persönlich gefördert werden. Stichworte: Teilhabe und Partizipation. Geschehen sollte dies in Anlehnung an die herkömmlichen Familien in kleinen Wohngruppen mit pädagogischer Rundumbetreuung.
Und schon kurz nach der Gründung wurden in Lorsch, Lindenfels und Bensheim erste Wohnungen oder Häuser angemietet, in die jeweils fünf Kinder mit ihren Betreuern einzogen.
Dieses Konzept hat derweil bis heute Bestand. „Einer unserer wichtigsten Grundsätze ist nach wie vor, dass die Kinder und Jugendlichen ein eigenes Zimmer haben“, bringt es Lothar Müller-Wimmer auf den Punkt.
Gleichwohl ist der Verein mit seinen beiden Tochtergesellschaften, 19 Mitgliedern und insgesamt 97 Mitarbeitern inzwischen deutlich breiter aufgestellt. Betreutes Wohnen für ältere Jugendliche oder junge Erwachsene gehört ebenso zu den Standbeinen wie die Inobhutnahme von jüngeren Kindern im Auftrag des Jugendamtes oder Kooperationen mit der Lindenfelser Behinderten-Einrichtung Buchenhof oder dem Frauenhandball-Bundesligisten HSG Bensheim/Auerbach.
In der jüngeren Vergangenheit habe sich der Verein wieder verstärkt seinen Wurzeln gewidmet, so Müller-Wimmer. Bestes Beispiel hierfür ist das neue Mutter-Kind-Haus in Heppenheim, das vor etwas mehr als einem Jahr eröffnet wurde. Mithilfe der Spenden von „Echo hilft!“ möchte der Verein das dortige Angebot für die jungen Mütter und deren Kinder noch einmal aufwerten. Hierfür soll das Gartengrundstück kindgerecht umgestaltet werden. Im Detail wünscht sich der Verein auf der Rasenfläche einen kleinen Spiel- und Erlebnisplatz, der auf Kinder bis zu sechs Jahren zugeschnitten ist. Ziel und Zweck ist dabei vorrangig die Förderung der Mobilität, Geschicklichkeit und Körperbeherrschung, Ausdruck von Kreativität und Freude an selbstbestimmtem Freizeiterleben.