Eigentlich will sich Christian Baunach das Rauchen abgewöhnen. Seine Kumpels lachen. "So paradox es klingt", sagt er, "die Shisha hilft mir dabei". Für ihn soll es die...
KREIS BERGSTRASSE. Ringe kann er. Dafür nimmt der 24-Jährige einen tiefen Zug aus dem Schlauch, während die Wasserpfeife auf dem Tisch zu blubbern beginnt. Kurz hält er den Rauch in seiner Lunge, dann formt er den Mund zu einem O und beginnt mit seiner Atemtechnik, ähnlich wie beim Husten, die Ringe aus dem Shisha-Rauch zu formen. Eigentlich will sich Christian Baunach das Rauchen abgewöhnen. Seine Kumpels lachen. "So paradox es klingt", sagt er, "die Shisha hilft mir dabei". Für ihn soll es die Alternative zur Zigarette sein. Dass er seinem Körper auch damit giftige Substanzen zuführt: geschenkt. Was zählt, ist die Geselligkeit - und der gute Geschmack.
Die Geschichte der Shisha reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Während sie im arabischen Raum schon lange salonfähig ist, startet die Wasserpfeife in Deutschland erst seit ein paar Jahren durch. Shisha-Bars oder Tabak-Geschäfte sprießen auch im Kreis Bergstraße wie Pilze aus dem Boden. Seit Juli 2017 hat Heppenheim ein Geschäft, das sich auf die süße Versuchung spezialisiert: Der fruchtige Duft steigt im "Blubber-Shop" in der Lehrstraße direkt in die Nase. Dort gibt es alles rund um die Wasserpfeife zu kaufen. "Es läuft gut, ich kann mich nicht beschweren", sagt Philipp Badge. Der Angestellte greift oft selbst zur Shisha, "leidenschaftlich", wie er betont. "Es ist einfach eine coole Sache, wenn man mit Freunden in der Runde raucht." Dschinni und Maridan sind die Bestseller bei den Tabaksorten, berichtet Badge. Dschinni klingt exotisch, schmeckt aber nach Zitronenkuchen. "Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt", so der Angestellte. Zum Beispiel Döner, Nimm 2 oder Tic Tac, wie die Karte der Heppenheimer Shisha-Bar "Cleo 2" verrät.
Der Rauch wird durch das blubbernde Wasser eingeatmet
Kunden strömen aus dem Odenwald und von der Bergstraße in den "Blubber-Shop". So wie Andreas Knaup, der an diesem Morgen aus Einhausen nach Heppenheim gekommen ist. Als 18-Jähriger sei er zum Shisharauchen gekommen. "Nach dem Fußball", erinnert er sich. Gemeinsam in der Gruppe - daheim oder in Bars. Seitdem raucht er Wasserpfeife, mal mehrere Tage hintereinander, dann wieder gar nicht. "Ich weiß, dass es nicht gesund ist - aber das ist Cola auch nicht", sagt der 25-Jährige und überlegt, ob er neben der Kohle auch noch etwas Tabak mitnehmen soll. Am liebsten Traube oder Pfirsich. Hauptsache fruchtig. "In meinem Freundeskreis rauchen eigentlich alle Shisha", sagt Knaup. Bei Verkäufer Badge ist es nicht anders. Und das, obwohl ein Großteil in beiden Freundeskreisen Nichtraucher ist.
Karin Berger-Spengler ist Leiterin des amtsärztlichen Dienstes beim Gesundheitsamt. Sie betreut seit elf Jahren das Raucherpräventions-Projekt "ohnekippe-Bergstraße" des Kreisgesundheitsamts. "Die normale Zigarette wird geraucht, der Tabak verbrannt, der Rauch eingeatmet", erklärt Berger-Spengler. Doch kalter Rauch stinke, der Geruch mache Raucher nicht unbedingt sympathisch, so die Ärztin. Auch das ist ein Grund, warum der Trend bundesweit von der Zigarette weggeht, wie ein Bericht des Statistischen Bundesamtes belegt: 1991 wurden noch rund 146,5 Milliarden Zigaretten versteuert, 2017 waren es 25,9 Milliarden. Der Präventionsradar der Krankenkasse DAK besagt, dass mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland Wasserpfeife rauchen. Laut der Studie haben 22 Prozent von den Schülern der Klassen fünf bis zehn schon einmal Tabak aus der Shisha geraucht.
Bei der Shisha wird der Tabak verschwelt, der Rauch durch das blubbernde Wasser eingeatmet. "Dadurch wird er abgekühlt, teilweise auch vernebelt. Was dazu führt, dass er viel tiefer eingeatmet werden kann", erklärt Karin Berger-Spengler den Unterschied. Das führe dazu, dass noch tiefere Schichten der Lunge vom Rauch geschädigt werden können. "Problematisch ist außerdem, dass sich im verschwelten Rauch Giftstoffe wie Benzol finden, die durch das heiße Verbrennen des Tabaks in der Zigarette nicht entstehen", meint die Expertin. Benzol sei der bedeutendste Auslöser für Lungenkrebs. "Durch die zugesetzten Aromastoffe riecht der Rauch gut, auch noch der kalte: frisch, fruchtig." Und vernebelt die Sinne.
Die Familie Velkos kam vor knapp vier Jahren auf die Idee, in Bürstadt eine Shisha-Bar aufzumachen. "Es liegt im Trend und in der Stadt gab es noch keine", erzählt Inhaber Georgios Velkos. Zunächst in der Asylunterkunft im Hotel Berg angesiedelt, zog das "Karizma" 2016 in die ehemalige Schlecker-Filiale in der Nibelungenstraße um. Es ist Mittwoch gegen 18 Uhr, die Bar hat schon zwei Stunden geöffnet. Kein Gast zu sehen. Georgios Velkos drückt seine Zigarette aus, begrüßt den Gast per Handschlag. "Um diese Uhrzeit ist noch wenig los, aber heute Abend werden bestimmt ein paar Tische belegt sein." Die Bar hat sich einen Namen gemacht, "die Leute kommen aus dem ganzen Umkreis hier her", erzählt der 23-Jährige. Früher hat er selbst oft Wasserpfeife geraucht, heute bevorzugt er Zigaretten. Die bestellten Shishas muss er dennoch mit ein paar beherzten Zügen anrauchen, bevor er sie den Kunden serviert. Acht Euro kostet der Spaß. Unter der Woche ist es ruhiger, aber am Wochenende bekommt man ohne Reservierung oftmals keinen Platz im "Karizma". "Da verkaufen wir schon mal 30 Shishas." Der Grieche weiß, was die Leute am Shisharauchen schätzen: "Man ist unter Freunden und kann einfach mal abschalten und entspannen."
Von den chemischen Verbindungen sind mehr als 50 krebsauslösend
Doch der gute Geschmack ist trügerisch. Die Menge des in einer Shisha-Sitzung konsumierten Nikotins übersteigt den Nikotingehalt einer Zigarette um ein Vielfaches, man geht von der 60- bis 80-fachen Menge aus, wobei die Dauer des Shisharauchens auch länger ist: Pro Füllung circa 45 Minuten. "Das Nikotin ist der suchtauslösende Stoff Nummer eins, hat ein Suchtpotenzial, das dem von Heroin entspricht", so Ärztin Karin Berger-Spengler. Die Suchtgefährdung ist bei einem so hohen Angebot natürlich erheblich größer. "Man geht davon aus, dass in Zigarettentabak circa 4.000 chemische Verbindungen enthalten sind, wovon mehr als 50 eindeutig krebsauslösend sind. Diese Stoffe sind natürlich auch im Shishatabak", so die Leiterin des amtsärztlichen Dienstes. "Vermutlich ist die Anzahl der Giftstoffe noch größer, weil Aromastoffe zugefügt sind, die auch verbrannt werden."
Im hinteren Eck des "Karizma" spielt Christian Baunach derweil mit seinen Kumpels Yannick Withake und Jannik Hüter eine Partie "Durak". Das Kartenspiel hat Sören Heiderich aus Australien mitgebracht. Gespielt wird stilecht mit Karten des FC Bayern München. Dazu kreist der Schlauch. Als Betreiber der Shisha-Bar "Karizma" ist auch Georgios Velkos klar: "Jeder ist sich dessen bewusst, dass es ungesund ist - aber jeder nimmt es in Kauf." Gegen 20 Uhr ist sein Lokal an diesem Mittwoch gefüllt. Velkos muss sogar zwei junge Frauen umsetzen, damit eine größere Gruppe Platz findet. Suchtexpertin Karin Berger-Spengler weiß: "Wasserpfeife rauchen vermittelt Gruppenzugehörigkeit und hebt einen aus der Masse der Zigarettenkonsumenten heraus." Viele Shisharaucher sind gar keine Raucher und manche rauchen Shisha, um weniger Zigaretten zu rauchen. So, wie es Christian Baunach tut.