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KREIS BERGSTRASSE. Wer dieser Tage das Internet nutzen möchte, um sich über einen Lampertheimer Verein zu informieren, der wird nicht wirklich schlau. Grund: Etliche Vereine haben ihre Homepage abgeschaltet. Dass das ziemlich zeitgleich zum 25. Mai passiert ist, liegt in der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) begründet, die zu diesem Datum ihre Wirkung entfaltet hat. Und die Vereine vor große Herausforderungen stellt.
Umsetzung sorgt für Unsicherheit und Bedenken
Das Gesetz ist nicht neu, rüttelt jetzt aber so manchen Verein auf. Denn jeder Vorstand sollte wissen, welche Auswirkungen die Verordnung für den eigenen Verein hat. Es gelten neue Regeln zum Erheben, Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten. Um den Schutz des Einzelnen zu gewährleisten, greifen nun Transparenzregelungen. Mit deren Umsetzung viele Vereine überfordert sind. Das zeigte sich auf der letzten Versammlung des Heppenheimer Turnvereins. Das alles beherrschende Thema war die DSGVO und der schwierige Umgang mit der Materie. "Wir werden nicht umhinkommen, einen Datenschutzbeauftragten zu installieren", erklärte Vorsitzender Karl-Heinz Krauß. Die DSGVO treffe die Vereine heftig, meinte Eberhard Rimann. "Was hier von den Vereinen verlangt wird, ist eine Katastrophe", sagte der Geschäftsführer. "Das nimmt Formen an, über die sich in Brüssel keiner wirklich Gedanken gemacht hat", so Rimann.
Welche Auswirkungen die Datenschutzregelung hat, verdeutlichte Britta Hantsche vom TV anhand des Bergsträßer Turnfests mit 500 teilnehmenden Kindern. Der Turngau Bergstraße hatte den Eltern in einer Einverständniserklärung die Wahl gelassen: Einige hatten sich dazu entschieden, dass ihr Kind nicht fotografiert und bei Sieg nicht genannt werden dürfe. So kam es, dass ein Kind eigentlich auf dem Treppchen gelandet wäre, aber Siegerurkunde und Medaille nicht öffentlich entgegennehmen durfte. "Ich glaube, die Eltern lesen sich gar nicht richtig durch, was sie damit ankreuzen", meinte Hantsche.
Auch in anderen Städten des Kreises tun sich die Verantwortlichen schwer. So berichtet unter anderem Markus Stephan, Vorsitzender des SV Fürth, von einem "erheblichen Mehraufwand für die Vereine". In Lampertheim hat die Stadt versucht, den Vereinen zu helfen. "In den vergangenen Wochen zeigte sich, dass die Umsetzung in der Praxis zu Unsicherheit und Bedenken führt", erklärt Dirk Eichenauer, der im Fachdienst Kultur und Ehrenamt der Stadt Lampertheim für die Betreuung der Vereine verantwortlich ist. "Mehrere Vereine haben sich direkt bei uns gemeldet, weil sie nicht wussten, welche Schritte nun nötig sind", berichtet er. Genau deshalb hatte die Stadt alle Vereine zu einem Vortrag mit dem Darmstädter Datenschutzbeauftragten Hartmut Schmidt geladen. Dass trotz trockener Materie 130 Personen von 64 Vereinen erschienen sind, zeigt: Der Aufklärungsbedarf ist groß.
Aber wo genau liegen die Herausforderungen für die Vereine? Die Vorsitzende der AWO Lampertheim, Walburga Jung, ist ehrlich. "Viel habe ich bei dem Vortrag nicht verstanden", sagt sie, "ich bin 80 Jahre alt und habe von Computern keine Ahnung." Für viele Vereine mag die Veranstaltung hilfreich gewesen sein, "aber ich bin schon älter und mit vielen Wörtern, die da gefallen sind, kann ich leider gar nichts anfangen." Als sie gehört habe, dass der Vorstand für die Umsetzung verantwortlich sei, "da bin ich richtig erschrocken und dachte: Dann lege ich das Amt heute noch nieder". Vor allem für Vereine mit älteren Mitgliedern stelle die Verordnung eine Hürde dar, "daher bin ich froh, dass sich bei uns zwei jüngere Mitglieder bereit erklärt haben, sich der Sache anzunehmen".
Freddy Herweck, Vorsitzender des 1. Carneval-Clubs Rot-Weiß, betont, dass man sich bereits seit zwei, drei Jahren mit dem Thema auseinandersetze. "Nichtsdestotrotz steckt ein enormer organisatorischer Aufwand dahinter", sagt er. Die Homepage, auf der sich mehrere tausend Bilder befänden, wurde ebenfalls vom Netz genommen, weil sie überarbeitet werden muss. "Wir müssen jetzt jede Prinzessin von damals anschreiben, ob sie mit der Veröffentlichung ihres Bildes einverstanden ist", erklärt er. Auch von den übrigen Mitgliedern müssten Einwilligungen eingeholt werden, "das bedeutet 120 Briefe und 120 Briefmarken". Die größte Herausforderung sieht er im zeitlichen Aufwand. "Wir können uns nicht jeden Tag sieben Stunden damit beschäftigen, wir sind alle ehrenamtlich tätig", betont er. Auch hinsichtlich eines Datenschutzbeauftragten sagt er: "Wir sind ein kleiner Verein und ohnehin schon froh, wenn wir überhaupt jeden Vorstandsposten besetzt bekommen." WhatsApp wird im Verein ebenfalls genutzt, "weil Aufrufe nirgends unkomplizierter laufen". Der Vereinsname als Gruppenname werde aber wohl künftig weichen.
"Gefreut hat sich keiner", umreißt Torsten Ohl die Reaktionen zur Umsetzung. Der Vorsitzende des Kanu-Clubs hadert mit vielen Auflagen, die den Vereinen das Leben in den letzten Jahren schwer machten. "Die Entwicklung ist nicht schön, vor allem, wenn man sieht, dass Vereine sich deswegen teils ganz auflösen", sagt er. Für große Unternehmen, echte Global Player, sei eine solche Verordnung sinnvoll, "ob man das aber wirklich runterbrechen muss bis zum kleinsten Verein, das sehe ich nicht wirklich gerechtfertigt". Häufiger habe man beim Kanu-Club auch über eine mögliche Präsenz auf Facebook nachgedacht, weil es einfach ein gutes Mittel sei, Werbung zu machen. "Den Gedanken haben wir nun erst mal ganz weit nach hinten verbannt." Cora Wunder, Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins, bereitet der nötige Zeitaufwand ebenfalls Sorge, "der Gesetzestext ist durchaus nicht ganz so leicht zu lesen und mir fehlt derzeit einfach die Zeit". Robert Lenhardt, Pressewart des Tennisclubs Rot-Weiß, berichtet, dass durchaus Seminare zum Thema stattgefunden hätten, "Unbehagen bereitet mir allerdings, zu sehen, dass man in seiner Tätigkeit als Ehrenamtlicher ganz unbewusst ganz schnell belangt werden kann".