Daniel Fischer erklärt den Jugendlichen seine Taschenkontrolle. Fotos: Gutschalk

Innerhalb weniger Sekunden hat sich eine Traube von 40 Jugendlichen gebildet, die immer dichter an das Fahrzeug der Ordnungspolizei drängen. Dass einer von ihnen seine Taschen...

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. Innerhalb weniger Sekunden hat sich eine Traube von 40 Jugendlichen gebildet, die immer dichter an das Fahrzeug der Ordnungspolizei drängen. Dass einer von ihnen seine Taschen leeren soll, sorgt für Aufsehen in der Kaiserstraße, in der am Halloweenabend das Leben tobt. Als Daniel Fischer und Kai Wendel auf ein Butterfly-Messer stoßen, wird die Situation heikel: "Das ist lächerlich, haben Sie nix Besseres zu tun?", giftet der Teenager in Richtung der Beamten, "die Klinge ist nicht mal scharf". Kein Argument für Fischer und Wendel, die Anscheinswaffe wandert in den Fundus der Ordnungspolizei. "Haben Sie nix Anständiges gelernt, dass Sie sich mit sowas abgeben müssen?" Der Jugendliche gerät sichtlich in Rage - und die Kameraden stimmen lautstark mit ein. Erst der Griff an das Holster mit dem Schlagstock sorgt für Ruhe.

"Das ist eine Form von Inakzeptanz, der wir mittlerweile täglich begegnen", sagt Fischer. Dass man als Ordnungspolizist als Spielverderber gilt, sei nicht das Problem. "Wir haben gelernt, damit umzugehen." Nichts höre man schließlich häufiger als Sätze wie: "Hier und da müsstet ihr mal nachsehen, da ist alles noch viel schlimmer, da könnt ihr Geld machen." "Als ob wir Provisionen für unsere Einsätze bekämen", wundert sich Fischer und schüttelt den Kopf. Auch beliebt: Die Floskeln "Ich hab' nur kurz, ich war nur kurz." Oder diejenigen, die versuchten, Bußgelder wegen unerlaubten Feuermachens von 60 auf 30 Euro herunterzuhandeln - der spargelstädtische Basar, sozusagen. Angelogen würden sie täglich. "Doch das gehört zum Geschäft und stört nicht weiter", sagt Wendel. Schlimmer seien die Beleidigungen, die Widerstände und die körperlichen Auseinandersetzungen, die deutlich zugenommen hätten. Ein Vorfall blieb ihnen besonders in Erinnerung: Ein Mann mit Hund, der auf den Leinenzwang hingewiesen wurde, flüchtete in sein Fahrzeug und griff dort zu einem Elektroschocker in der Tür. "Ich konnte froh sein, dass meine Hand schneller war", so Wendel. Dass sie seit 2016 Schlagstock, Pfefferspray und Handfesseln mitführen dürfen - in ihren Augen in erster Linie Mittel zum eigenen Schutz.

Unterordnen stellt für viele ein großes Problem dar

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Viele wollten das Ober- und Unterordnungsverhältnis nicht verstehen. Und jeder bilde sich ein, dank Google selbst zum Juristen mutieren zu können. "Wir vertreten Stadt und Staat, aber viele denken immer noch, dass der mit den besseren Argumenten gewinnt", erklärt Wendel, der allerdings betont, dass der Mangel an Respekt mit zunehmendem Alter größer wird. "Kinder winken unseren Autos noch freudig zu, die Älteren winken dann nur noch mit dem Stinkefinger. Der Respekt ist teilweise verloren gegangen." Das liege unter anderem auch daran, dass viele nicht wüssten, dass die Ordnungspolizisten in Hessen den Landespolizeibeamten nahezu gleichgestellt sind. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern dürften die Ordnungspolizeibeamten hier unter anderem auch Fahrzeugkontrollen durchführen. "Immer wieder heißt es dann: Das dürft ihr doch gar nicht. Für viele gehen Ordnungspolizisten eben mit reinen Knöllchenschreibern einher", berichtet Wendel.

Dass sie im Sinne der Sicherheit und des Gemeinwohls arbeiten, hätten die meisten nicht auf dem Schirm. "Unsere Arbeit ist wichtig. Wir ersetzen den mittleren Dienst der Polizei. Der ist es personalmäßig nicht mehr möglich, wegen jeder Ruhestörung rauszufahren", so Wendel, der betont, dass auch die Personalsituation bei der städtischen Ordnungspolizei mit nur noch vier Vollzeit- und zwei 75-Prozent-Kräften alles andere als rosig aussieht. "Hier dann noch Dienste außerhalb der 'normalen' Zeiten durchzuführen, ist eine große Herausforderung", meint Fischer.

Trotz allem haben die Beamten die Lust am Job noch nicht verloren. Auch, weil sie es mit Humor nehmen. "Ich brauche es mittlerweile, belogen zu werden", lacht Fischer, "einen Bürojob könnte ich mir nicht mehr vorstellen. Abwechslung sei schließlich immer geboten. "Der Absurdität sind bei uns keine Grenzen gesetzt", erklärt Wendel - und liefert sogleich eine Kostprobe: Menschliche Fäkalien, die die Kollegen des Bauhofs kürzlich an mehreren Tagen auf dem Spielplatz in der Ringstraße gefunden hätten. Drei Nächte lang legten sich die Beamten auf die Lauer. "Am dritten Morgen ertappten wir eine Dame, die aus der Unterführung kam und ihre Notdurft auf dem Spielplatz verrichtete. Klein und groß", erzählt Wendel. Die Erklärung der Dame: Sie habe "Rumpeldipumpel" im Magen gehabt, das auf der Toilette so laut geworden wäre, dass ihre Kinder davon aufgewacht wären.

Auch die Fahrt eines alten Mannes, der im Anschluss an die Hofheimer Kerb betrunken auf einem elektrischen Tretroller im Stadtteil unterwegs war, blieb den Beamten in Erinnerung. "Der war so betrunken, dass er riesige Schlangenlinien gefahren und dann ins Blumenbeet gefallen ist", erinnert sich Wendel. Beim Versuch, sich am Lenkrad hochzuziehen, habe er gleichzeitig das Gas betätigt - woraufhin der Roller mit dem Herren im Schlepptau seine ganz eigene Route antrat.

Außergewöhnliches hat der Halloween-Abend nicht zu bieten: Platzverweise gegen Jugendliche, die sich ohne Auto im Parkhaus herumtreiben, Fahrzeuge, die wegen fehlender Leuchten aus dem Verkehr gezogen werden, Spielplatz- und Parkkontrollen. Immer wieder müssen sich die Beamten für ihr Einschreiten rechtfertigen, immer wieder ihre Kontrollen erklären. Eine willkommene Abwechslung, als drei kleine als Teufelsdamen verkleidete Mädchen an die Beamten herantreten. "Die da hinten haben Böller, die haben sie auch gezündet", erklären sie aufgebracht. "Wir checken das", verspricht Fischer. "Haben Sie Süßes oder Saures?", grinst das Mädchen, als Fischer die Scheibe schon wieder hochfahren will. "Und wenn, dann hätten wir es schon selbst gegessen", lacht der Beamte. Die Kleine zögert nicht, fasst in ihren Stoffbeutel und reicht den Ordnungspolizisten zwei Schokoriegel aus der eigenen Abendausbeute. Wegzehrung, die beide dankend entgegennehmen. "Geht doch", murmelt Fischer seinem Kollegen zu. Beide grinsen.

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Von Vanessa Joneleit