Parlamentarier und Stadtverwaltung plädieren für eine Preissenkung um 40 Cent auf künftig nur noch 1,70 Euro.
HEPPENHEIM. Bahnhof Heppenheim, 9.30 Uhr an einem gewöhnlichen Wochentag: An der Bushaltestelle warten zehn Personen. Sie wollen nach Bensheim oder in den Odenwald und steigen in die entsprechenden Fahrzeuge ein. Kurz darauf kommt, aus Richtung Norden, der blaue Kleinbus der Linie 679 angefahren. Die Türen öffnen sich – doch die zwei an der Haltestelle verbliebenen potenziellen Fahrgäste bleiben stehen. Logische Konsequenz: Die Türen gehen wieder zu, der Stadtbus bleibt vorerst leer. Wie so oft.
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„Zwei bis drei Fahrgäste sind die Regel, in der Spitze sind es vielleicht fünf. Aber das sind eigentlich immer die gleichen“, berichtet Andrj Ganz. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2018 kutschieren er und vier Kollegen von der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal (VGG) die Nutzer der Stadtbuslinien 678 und 679 im Zweischichtbetrieb durch die Straßen der Kreisstadt. Sein Weg führt ihn täglich vom Bahnhof über die Gunderslache zur Nordstadt (Linie 678) sowie über den Graben und das Kreiskrankenhaus in die Weststadt (Linie 679). Start und Ziel beider Touren ist der Bahnhof.
Dass nur so wenige Heppenheimer den Stadtbus nutzen, findet Andrj Ganz schade. Kein Wunder also, dass er die wenigen Fahrgäste fast schon freundschaftlich begrüßt und auch wieder verabschiedet. Während der halbstündigen Fahrt mit der Linie 679 sind es insgesamt zwei.
An dem mangelnden Interesse ändert sich auch nichts, als Ganz an den Bahnhof zurückkehrt, um die zweite Linie zu bedienen. Wieder bleibt der Bus leer. Doch während Ganz sein Fahrzeug schon aus dem Bahnhof lenkt, kommt wie aus dem Nichts ein Mann mit zwei Einkaufstaschen angerannt – und Ganz tritt auf die Bremse. „Wenn es möglich ist, nehme ich jeden mit. Obwohl es in diesem Fall eigentlich schon zu spät war“, betont der Busfahrer. So geht Dienstleistung. Klar, dass es dafür auch lobende Worte vonseiten des Fahrgasts gibt. „Das ist klasse. Ich dachte schon, ich müsste laufen. Vielen, vielen Dank“, sagt Erich Vatter. Er wohnt in der Hans-Kohl-Straße unweit der Gunderslache und nutzt den Stadtbus nach eigenen Angaben „drei- bis fünfmal pro Woche“. Grundsätzlich hält er das städtische ÖPNV-Angebot für „eine gute Sache“, die schlechten Nutzerzahlen kann er nicht nachvollziehen. „Vielleicht ist das Angebot zu teuer“, mutmaßt er. „2,10 Euro für eine einfache Fahrt in der Stadt sind schon recht happig.“
Mit dieser Aussage trifft Vatter wohl den Nagel auf den Kopf – vor allem aus Sicht der GLH-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung. Denn die Grüne Liste plädiert in einem Prüfantrag, der in der Sitzung am morgigen Donnerstag zur Abstimmung kommt, für eine Änderung der innerstädtischen Tarifstruktur. Der Vorschlag, das haben die Verhandlungen in den Ausschüssen gezeigt, stößt bei den anderen Fraktionen auf Zustimmung – und auch die Stadtverwaltung befürwortet laut Sprecherin Uta Nack-Domesle die geplante Änderung. Übergreifender Wunsch ist eine Preissenkung auf 1,70 Euro für eine Erwachsenen-Fahrkarte.
Es sei hierfür jedoch mit dem zuständigen Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) zu klären, zu welchen Konditionen ein solcher Tarif eingeführt werden könne, sagt Nack-Domesle auf Anfrage dieser Zeitung. Will heißen: Die Stadt muss ein Konzept vorlegen, wie sie das kaum zu vermeidende Defizit ausgleichen kann. „Ein Gespräch mit dem VRN wird in Kürze stattfinden“, kündigt die Sprecherin diesbezüglich an. Doch hierfür bedarf es zunächst der Zustimmung der Stadtverordneten. Gleichwohl haben die Ausschüsse auch in dieser Hinsicht schon die Weichen gestellt: Die Mehrkosten sollen über die Erhöhung der innerstädtischen Parkgebühren gedeckt werden.
Erich Vatter kann also optimistisch sein, dass er künftig weniger Geld für seine Fahrten aufbringen muss. Dass die Verwaltung mit dem verbilligten Tarif und einer gleichzeitigen Optimierung des Fahrplans die Bedingungen für die Nutzer verbessern und somit auch die Akzeptanz des Stadtbusses erhöhen will, freut zudem Andrj Ganz. Für den wären die ruhigen Zeiten dann nämlich vorbei. „Hoffentlich“, sagt er.