Politisches Interesse bei Jugendlichen ist groß – auch wenn...

Nur neun Prozent der Hessen, die am Sonntag wählen dürfen, sind jünger als 24 Jahre. Archivfoto: dpa

4,4 Millionen Hessen dürfen am Sonntag den Landtag wählen. Nur neun Prozent sind 24 Jahre und jünger. Doch wie ist es überhaupt um das Interesse junger Menschen an der Wahl...

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HEPPENHEIM. 4,4 Millionen Hessen dürfen am Sonntag ihren neuen Landtag wählen. Davon sind 35 Prozent der Wahlberechtigten über 60 Jahre alt, nur neun Prozent 24 Jahre und jünger. Doch wie ist es überhaupt um das Interesse junger Menschen an der Wahl bestellt?

Die Kreisschülervertretung Bergstraße sieht den geringen Anteil junger Wähler kritisch. „Diese Diskrepanz ist enorm“, sagt die Kreisschulsprecherin im Kreis Bergstraße, Anna-belle Bechtel – zumal laut Umfragen ein klassisches Jugendthema den ersten Rang der Prioritätenliste bekleide: „Schule und Bildung ist den Hessen am wichtigsten“, so die Schülerin. Die Kreisschülervertretung Bergstraße sieht darin den Schlüssel für die Zukunft der Gesellschaft. Deshalb hält sie es für wichtig, dass sich nicht nur volljährige Schüler mit der Wahl beschäftigen, sondern auch Minderjährige. „Auch ohne das Recht zur Wahl lässt sich viel bewirken“, meint Annabelle Bechtel. „Gerade in Zeiten, in denen sich unsere Demokratie einem stetigen Angriff ausgesetzt sieht, ist es essenziell, dass junge Menschen ein Zeichen gegen Politikverdrossenheit setzen.“

In der öffentlichen Debatte wird Jugendlichen häufig unterstellt, politikverdrossen zu sein. „Dies können wir bei unserer Seminararbeit im Haus am Maiberg nicht bestätigen“, sagt Alexander Mack, der dort Referent für politische Jugendbildung ist. Viele der Jugendlichen interessierten sich sehr wohl für politische und soziale Themen, würden dies aber eher nicht mit den Worten „Ich bin politisch interessiert“ beschreiben, meint Mack. „Aus der Jugendforschung wissen wir, dass die Mitarbeit in einer Partei für viele Jugendliche eher uninteressant ist.“ Sie suchen verstärkt nach Möglichkeiten, die zu ihrer Lebenswelt passen, etwa im digitalen Raum.

Das Thema Wahl stand in diesem Schuljahr im Starkenburg-Gymnasium nicht explizit auf dem Lehrplan. Christiane Wüstner erklärt, dass eine Klasse letztes Jahr an der Juniorwahl zur Bundestagswahl teilgenommen habe, die diesjährige Landtagswahl aber nur am Rande thematisiert wurde. „Die Stofffülle ist sehr groß und der Lehrplan dicht“, so die Leiterin des Fachbereichs II. Das politische Interesse sei sehr altersabhängig, meint die Lehrerin. „In der Unterstufe sind viele Themen noch weit weg.“ Wenn sich die Schüler dem Wahlalter nähern, steige das Interesse. „Besonders bei Umweltthemen und der Flüchtlingspolitik“, so Wüstner. „Oft erleben wir da ein großes Interesse an nachhaltigen Themen wie Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Integration sowie Digitalisierung“, erzählt Alexander Mack. „Jugendliche und junge Erwachsene verfügen über einen starken moralischen Kompass und Visionen für die Zukunft unseres Zusammenlebens.“

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Rechtspopulistische Positionen würde von jungen Menschen dagegen häufig kritisch hinterfragt und zum größten Teil entschieden abgelehnt, meint der politische Referent. Generell erlebe das Haus am Maiberg bei Jugendlichen eine hohe Zustimmung zu einem heterogenen sowie multikulturellen Gesellschaftsmodell, den Wunsch nach einem harmonischen Zusammenleben und die Bereitschaft, dieses mitzugestalten, so Mack.

Das kann Annabelle Bechtel bestätigen. „Angesichts immer stärker aufkeimender Tendenzen zu antiquierten Denkweisen und verstaubten Werte- und Lebensvorstellungen finden wir es als Kreisschülervertretung wichtiger denn je, Modernität und Zukunftsorientiertheit in die gesellschaftliche Debatte einzubringen.“ Die Schüler möchten als Zukunft Hessens gehört werden und zeigen, dass auch Jugendliche eine politische Meinung besitzen. „Daher unterstützen wir das Engagement, das viele junge Menschen in Vereinen, Parteien und Verbänden zeigen.“

„In Jugendverbänden oder Sportvereinen übernehmen bereits 16- und 17-Jährige häufig verantwortungsvolle Positionen und sind damit ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft“, ist auch Alexander Mack aufgefallen. Warum also nicht das Wahlalter auf 16 herabsetzen? „Das halte ich für sinnvoll“, sagt er. Viele junge Menschen beginnen in dem Alter eine Berufsausbildung oder ein Studium, in dem sie als vollwertige sowie mündige Mitglieder unserer Gesellschaft behandelt werden – mit allen Rechten und Pflichten. „Diese Rolle sollte ihnen auch durch das aktive Wahlrecht zugestanden werden.“