Gute Zeit für die Musikschule Heppenheim

Eduard Ungefucht ist Akkordeon-Lehrer an der Heppenheimer Musikschule. Beim Tag der Offenen Tür zeigt er sein Können. Meike Paul
© Meike Paul

Der Tag der Offenen Tür lockt Besucher in die Schule. Und auch sonst kann sich die Einrichtung vor Anfragen kaum retten. Warum auch Corona daran einen Anteil hat.

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HEPPENHEIM. Ein bisschen aufgeregt tippelt Lars auf der Stelle. Mit dem ausgestreckten Zeigefinger seiner rechten Hand hat er die Ruftaste des Fahrstuhls gedrückt, mit den zur Faust geballten Fingern der Linken, umfasst er die Hand seiner Mutter Jeanine ganz fest. Heute ist der Tag gekommen, an dem sich der Fünfjährige endlich einmal ausprobieren kann. „Und darauf freuen wir uns doch schon lange“, wirkt die Mama beruhigend auf ihn ein. Das lockert den Griff etwas.

Aber Lars bleibt angespannt. Die kurze Fahrt mit dem Lift nach oben, sie dauert gefühlt bedrohlich lange. Was, wenn die Geige am Ende gar nichts für ihn ist? Die Mutter erzählt, dass es im Kindergarten eine musikalische Vorführung gegeben hätte. Seitdem sei ihr Sohn vom Saiten-Instrument fasziniert. Da kam der Tag der Offenen Tür in der Musikschule Heppenheim wie gerufen. Statt den talentierten Musikern bei mitreißenden Stücken zu lauschen, können hier die Instrumente einfach mal ausprobiert werden.

„Und das ist uns enorm wichtig. Wir wollen den potenziellen Schülern die Möglichkeit bieten, das passende Instrument zu finden“, sagt Schulleiter Thomas Markowic. Schon auf dem Gang heißt er Lars und Jeanine willkommen. Aus den verschiedenen Räumen klingen blecherne und samtige Töne herüber. Mal anmutig und ergreifend, mal total schief und quietschend. So soll das heute aber auch sein: „Wir haben bewusst auf eine Vorführung verzichtet. Dafür ist beim Musikschulfest genügend Gelegenheit“, so der Einrichtungsleiter, der damit auf das interkulturelle Fest mit Bühnenprogramm und Kulinarik am 23. September von 11 bis 15 Uhr im Hof des Saalbau-Kinos verweist.

Der Eintritt sei kostenlos und man hoffe, dass viele Menschen vorbeischauen. Vielleicht dann auch potenzielle neue Schüler, die an diesem Samstag gewonnen werden konnten. Für die Mitgliederstrukturen sei der Tag der offenen Tür wichtig, sagt Markowic. Aber auch sonst könne man sich vor Anfragen eigentlich kaum retten. Corona habe hier seinen Anteil.

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Denn in der Pandemie hätten die Menschen gelernt, sich auf sich zu besinnen und herausfinden zu wollen, was ihnen Spaß macht. Weil man sich nach anfänglicher Euphorie aber auch mal täuschen kann, können an der Musikschule Instrumente ausgeliehen werden. „Mehrere Wochen lang ist das kein Problem“, so der Redner weiter. Wer dann feststellt – wie in Lars Fall – die Geige ist etwas für mich, der kann sich dann selbst eine anschaffen. Dies soll den Einstieg ins Musizieren erleichtern, die Hemmschwelle senken und Geld und Frustration sparen.

Ein Angebot, das Jeanine hellhörig werden lässt. So kann sich hier Sprössling ja noch länger ausprobieren. „Perfekt“, sagt die Mutter und auch Lars nickt. Das Geigespielen ist nämlich gar nicht so einfach, wie er erfährt. Aktuell lernen an der Musikschule rund 1400 Schüler. Und das vom Säuglings- bis ins hohe Alter. Bei Eltern-Kind-Kursen, Instrumentalunterricht und verschiedenen Kooperationen werden die Menschen ans Metier herangeführt. „Bis auf Harfe und Zitter kann bei uns auch eigentlich jedes Instrument erlernt werden“, ist Markowic sicher – stolz ist er auf sein Kollegium.

Mit Online-Unterricht hatten die Kräfte die Schützlinge auch während der Pandemie bei der Stange gehalten. Kaum einen Absprung hatte es so gegeben und nun steigt die Nachfrage noch weiter. Es sei eine gute Zeit für die Musikschule, befindet der Leiter. TV-Formate wie „The Voice of Germany“ verhelfen auch dem Gesangsunterricht zu Attraktivität. „Es gibt auch viele Erwachsene, die sagen – jetzt fange ich mit dem Singen an“, so Markowic. Jeanine aber winkt lachend und dankend ab. In einem Raum neben dem Eingang ertönt plötzlich schwungvolle Musik.

Interessiert strecken ein paar Besucher die Köpfe durch den Türrahmen. Akkordeon-Lehrer Eduard Ungefucht ist hier in seinem Element, musiziert fröhlich vor sich hin. Positivität, die sofort auf die Zuhörer überschwappt. Alle lachen, haben Spaß und bemerken, wie sich die Musik auf den eigenen Körper, das eigene Wohlbefinden auswirken kann. Weil am Eingang Luftballons und Willkommensschild fehlen, finden viele den Treppenaufgang nicht, erreichen die Musikschule in der Friedrichstraße 21 ebenfalls über den Fahrstuhl.

Gegründet wurde die Einrichtung übrigens 1980 mit zunächst knapp 180 Schülern. 1990 wurde sie Mitglied im „Verband deutscher Musikschulen“. Seit dieser Zeit arbeiten die Lehrkräfte nach dessen Strukturplan, welcher einen qualitativ hochwertigen Standard der musikalischen Ausbildung sichert.