Einmal pro Woche treffen sich zwölf Männer, um alten Klischees entgegenzuwirken und ihren Rücken zu stärken.
HAMBACH. Der Morgen nach einem Männerabend: Die Beine sind schwer, die Bauchmuskeln schmerzen und die Oberarme weigern sich, schwerere Gegenstände von A nach B zu hieven - alles Folgeerscheinungen einer Yoga-Stunde am vorangegangenen Abend.
Männerabend und Yoga - wie passt das zusammen, mag sich nun der eine oder andere fragen. Denn insbesondere in Männerrunden genießt das ganzheitliche Übungssystem aus Indien trotz seiner rund 4000-jährigen Geschichte einen eher fragwürdigen Ruf. Es sind fast immer die gleichen machohaften Sprüche, die fallen: "Das ist doch diese komische Sekte", "Das machen doch eh nur Mädchen mit Räucherstäbchen oder alte Männer mit Bärten." Nach Spaß unter Männern klingt das auf jeden Fall nicht.
Fast logisch also, dass die Inhaberin der Hambacher Naturheilpraxis Hollerbusch, Barbara Matzke, vor etwas mehr als einem Jahr etliche Register ziehen musste, um in ihren Räumlichkeiten einen Yoga-Kurs für Männer auf die Beine zu stellen. Einen Männerkurs hatte sie zu dieser Zeit zwar schon länger im Angebot, doch schon allein der Name verrät, um was es seinerzeit ursprünglich ging: "Starke Männer - Starker Rücken". Die sechs Teilnehmer hatten mit Rückenschmerzen zu kämpfen, das Kursangebot im "Hollerbusch" diente der Prävention. Zirkeltraining, Gewichte stemmen, Auspowern - damit können Männer etwas anfangen. Eine klassische Win-Win-Situation.
Als die Kursleiterin jedoch schwanger wurde, musste ein Nachfolger her. Und schon bei dieser Suche agierte Barbara Matzke gewieft. Einerseits wollte sie den Männerkurs fortsetzen, andererseits wollte sie daraus einen Yoga-Kurs machen, weshalb ihre Wahl auch auf den ausgebildeten Yoga-Lehrer Wolfgang Seyfried aus Heppenheim fiel. "Den Jungs hat Barbara erzählt, was ich mache, sei gar kein Yoga im eigentlichen Sinne, sondern eher Zirkeltraining. Und mir hat sie erzählt, die Jungs hätten schon einen zehnstündigen Yoga-Kurs hinter sich - hätten also schon Erfahrung", erinnert sich Seyfried. Die Überraschung war entsprechend groß, als diese Gegensätze erstmals aufeinandertrafen. Doch es klappte, wie die jüngste Entwicklung zeigt: Die meisten "Gründungsmitglieder" sind immer noch an Bord, aus einem wöchentlichen Kurs für sechs Männer am Donnerstagabend sind inzwischen zwei aufeinanderfolgende Einheiten für ein ganzes Dutzend geworden. Und Torsten Guthier, ein Mann der ersten Stunde, hat neben einem gestärkten Rücken eine durchaus positive Randerscheinung ausgemacht: "Frauen finden es echt cool, wenn ein Mann Yoga macht."
Selbst wenn das Zirkeltraining nun Sonnengruß heißt und Kobra, Krieger, Hund, Taube, Krähe oder Baum das Thera-Band und die Gewichte ersetzt haben, hat sich auch an der Intensität des Kurses kaum etwas geändert. Nach wie vor lautet die Devise: Schwitzen und Spaß haben.
Für Wolfgang Seyfried heißt das: "Ich möchte meine Schüler dort abholen, wo sie herkommen: einfach, klar, authentisch. Auf den ersten Blick lasse ich alle spirituellen Aspekte des Yoga erst einmal bei Seite und komme dann durch die Hintertür."
Ein Anfänger gerät dabei übrigens schnell außer Atem. Vor allem dann, wenn er eigentlich andere Sportarten bevorzugt - und entsprechend andere Muskeln beansprucht. So ist Stretching zwar fester Bestandteil des Fußballtrainings, wird dort aber vorzugsweise genutzt, um sich von Laufeinheiten zu erholen. Anders im Yoga. Denn hier gehen die Dehnübungen direkt ineinander über. Die "Kunst des Yogas", die Wolfgang Seyfried während der einstündigen Einheit immer wieder propagiert, ist dem Novizen nur bedingt zugänglich: "Entspannung in der Anspannung" findet er kaum. Vielmehr tropfen die Schweißperlen unentwegt auf den Parkettboden des Übungsraums, während der Herzschlag eine beängstigende Frequenz erreicht.
Fast schon bezeichnend, dass die abschließende Übung den deutschen Namen "Totenstellung" trägt - aber eigentlich nichts anderes bedeutet, als flach auf dem Boden zu liegen und zu entspannen. Das finden dann auch die vormals härtesten Kerle der Welt klasse.