Es ist immer eine willkommene Bestätigung der ehrenamtlichen Arbeit als Veranstalter für die Macher von Forum Kultur, wenn Künstler, die einmal in Heppenheim gastiert haben,...
HEPPENHEIM. Es ist immer eine willkommene Bestätigung der ehrenamtlichen Arbeit als Veranstalter für die Macher von Forum Kultur, wenn Künstler, die einmal in Heppenheim gastiert haben, gerne wiederkommen. Wie die Jazz-Flötistin Stephanie Wagner, die schon die erste CD „Fade In“ ihres Bandprojekts „Quinsch“ hier vorgestellt hatte – ein von der Kritik hochgelobtes Debüt mit Titel wie „Cycle“, „Green Tea“ oder „Painting a Picture“, das reihum Erwartungen auf eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte geweckt hatte.
Acht Jahre später, im März 2016, ist das zweite Album erschienen, dieses Mal beim Label Personality, mit erneut zehn Stücken von Hardbop bis Latin und Blues, die den Beweis der ungebrochenen Kreativität und Vielseitigkeit der Bandleaderin und Komponistin und ihrer vier versierten Musiker nicht schuldig bleiben. „Shapes & Colours“ als Titel ist Programm, und auf der Bühne ist das Quintett eine Naturgewalt, wovon sich die Zuhörer am Mittwoch im Marstall selbst überzeugen konnten. Da kann eine Live-Version schon locker süffige zehn Minuten dauern, wenn sich die Flötistin, Saxofonist Steffen Weber, Volker Engelberth am Tasteninstrument, Udo Brenner am Kontrabass und Jens Biehl am Schlagzeug die Parts in die Hände spielen.
Aparte Wirkung mit Durchsetzungskraft
Wobei die Flöte als Lead-Instrument sowohl solo als auch im Dialog mit Steffen Weber eine ganz aparte Wirkung erzielt mit einer erstaunlichen Durchsetzungskraft, die das volle Klangspektrum auszuloten in der Lage ist.
Möglich macht das die moderne Spieltechnik, die Stephanie Wagner als Stipendiatin am renommierten Berklee College in Boston entwickelt hat und ständig verfeinert. Zungen- und Lippenpizzicato und Klappeneffekte setzt sie beispielhaft ein in der Interpretation von „Kangaroo“, einer Komposition, zu der sie auf einem Trip nach Australien die Beuteltiere mit ihren charakteristischen weiten Sprüngen und flinken Fluchten inspiriert hatten. „Lassen Sie sich überraschen.“ Mit diesen Worten hatte sie am Mittwoch das Stück angekündigt und das Aha-Erlebnis blieb beim Publikum nicht aus.
Von Schlagzeuger Jens Biehl auf den Punkt akzentuiert, erzeugt die Flöte possierliche Hüpfer, zuweilen klingt das fragile Instrument gar wie das Didgeridoo der Aborigines. Kontrabass, Klavier und Saxofon mischen sich ein, forcieren das Tempo bis zum gigantischen Schluss-Solo des Schlagzeugers – ein Kabinettstückchen.
„Flying high“, das Intro der CD, hatte zuvor einen nahezu hypnotischen Sog erzeugt mit einem fast unhörbaren Flötentriller zum Ausklang, „Airy“ mit lyrischer Melodieführung und zeitloser Eleganz begeistert, während die „Salsa Torcida“ vor der Pause noch einmal mit rasanten Spannungsbögen aufwartet.
Die Komposition strotzt vor Temperament, die Musiker spielen wie entfesselt, schnörkellose Soli reißen das Auditorium ein ums andere Mal zu stürmischem Beifall hin. Auch der Titelsong der CD, „Shapes and Colours“, „All that Blues“ oder „White Landscape“ beweisen die unbegrenzten Möglichkeiten der Flöte als Führungsstimme im Jazz. Dass Stephanie Wagner ihre Karriere eigentlich mit einem klassischen Studium an der Musikhochschule Mainz begonnen hatte, daran erinnert auf „Shapes & Colours“ „Von fremden Ländern und Menschen“, eine Adaptation aus dem Zyklus „Kinderszenen“ von Robert Schumann für „Quinsch“ und die Jazz-Querflöte.
Noch ist die Flöte in diesem Genre recht selten in der Führungsrolle zu hören, doch das könnte sich alsbald ändern. Denn Stephanie Wagner komponiert und spielt nicht nur, um den Ruf ihres so wandlungsfähigen Instruments zu befördern, sie hat vor zwei Jahren auch im Schott-Verlag ein Lehrbuch veröffentlicht, einen Einstieg in Styles, Phrasierung und Improvisation. „Play Jazz Flute – now“ vermittelt Artikulationsweisen und Effekte für alle Talente, die sich, Wagners Methode folgend, ebenfalls neue Klangwelten erschließen möchten.