In Kröckelbach hat die Erbacherin Marei Krämer einen Film über die Arbeit von Deutschen vorgestellt, die Holocaust-Überlebende unterstützen. Auch sie reist nach Israel und...
KRÖCKELBACH. „Aber es war doch so ein kluges, so ein gebildetes Volk!“, beschreibt eine in der Ukraine lebende Jüdin die Ungläubigkeit über das Grauen, das im Zweiten Weltkrieg mit den einmarschierenden Deutschen kam. Es sind fürchterliche Geschichten, die jene Menschen erzählen, die als Kinder den Holocaust überlebten. Eine Frau überstand mit zwei Jahren eine Massenerschießung, wurde danach zwischen den Leichen entdeckt. Eine andere war in einem Klohäuschen versteckt und aß vor Hunger den Putz von den Wänden. Ein Mann überlebte als Kind das Todeslager.
75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert Marei Krämer mit einem Video und in Gesprächen an dieses Leid. Außerdem stellt sie Menschen vor, die die heute hochbetagten Holocaust-Überlebenden unterstützen. Nun ist ihr Film im Seminarhaus im Feriendorf Kröckelbach gezeigt worden. Dem schloss sich ein intensiver Austausch und gemeinsamer Gesang mit den Zuschauern an.
Rund 400 000 Holocaust-Überlebende gibt es heute noch, knapp die Hälfte davon in Israel. Doch besonders jene, die heute in Polen oder der Ukraine wohnen, leben oft unterhalb der Armutsgrenze. Dazu kommt in Osteuropa ein erstarkender Antisemitismus. Für die Helfer, die Krämer in ihrem anrührenden Videobeitrag vorstellte, ist es wichtig, den Überlebenden so weit wie möglich ein wenig Trost und ein wenig Hilfe zu spenden – und als Deutsche um Vergebung für das zu bitten, was die Väter und Großväter getan haben.
Die deutschen Helfer erhalten dabei viel Zuneigung. „Wir erleben fast nie Härte oder Hass, wir werden fast wie Enkel angenommen“, sagt Cäcilia Dietze, eine der im Film vorgestellten Helferinnen. Sie organisiert mit anderen zusammen in Israel Feste, Bootsausflüge und gemeinsames Essen für Holocaust-Überlebende. Die junge Frau macht deutlich, dass das Engagement sich nicht allein aus dem christlichen Glauben speist. „Es ist ein Mandat für alle Deutschen“, sagt sie.
Noch wichtiger als Sachspenden oder konkretere Hilfe, das wird in dem Video deutlich, ist sowohl in der Ukraine wie auch in Israel die Bereitschaft der Helfer, den Überlebenden zuzuhören, auf diese einzugehen, ihr Schicksal nachzuvollziehen.
Eingeladen zu dem Abend hatten Daniel und Stefanie Stocker. Sie kennen Krämer schon lange aufgrund ihrer gemeinsamen Mitgliedschaft bei der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde Michelstadt. Krämer war dort viele Jahre Gemeindeleiterin. Der Glaube war es denn auch, der Krämer zu ihrem Engagement in Israel und der Ukraine motivierte. Schließlich stoße man, wenn man sich mit der Bibel befasse, auf die Geschichte des jüdischen Volkes und damit auch auf Israel, erklärte sie. Im Jahr 2001 gab ihr die Konferenz „Changing the future by confronting the past“ in Israel den Anstoß, sich intensiv mit dem Thema Holocaust zu beschäftigen. Sie las viel darüber, auch wenn ihr das nicht leicht fiel. „Aber Millionen von Menschen sind auch nie gefragt worden, ob sie es erleben wollen“, erklärte Krämer. 2018 war sie das erste Mal mit Hilfsprojekten in der Ukraine, 2019 in Israel. Beide Länder wird sie auch 2020 wieder besuchen.
Krämers Botschaft an die Gäste des Abends war eindeutig. In Zeiten, in den Kälte, Gnadenlosigkeit und Ignoranz in unserer Gesellschaft wieder zunehmen, sei es wichtig, dem etwas Positives entgegenzustellen. Das fange damit an, Vorurteile und Stammtischparolen im eigenen Umfeld nicht einfach hinzunehmen und nicht wegzusehen, wenn Unrecht geschieht. „Jeder von uns kann etwas tun.“