Auf den Spuren der Nordheimer Kriegsbrücke

Spannender Geschichtsunterricht, erleichtert durch das momentane Niedrigwasser des Rheins: Darian Middendorf misst einen ehemaligen Brückenträger aus. Foto: Thorsten Gutschalk
© Thorsten Gutschalk

So macht Geschichtsunterricht Spaß: Eine 9. Klasse ortet, vermisst, kartiert und dokumentiert die Überbleibsel eines Wehrmachtbauwerks. Der Nordheimer Heimatverein ist mit von...

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NORDHEIM. Geschichtsunterricht der besonderen Art gab es für die Schüler einer 9. Klasse des Lampertheimer Lessing-Gymnasiums am Mittwoch unweit des historischen Nordheimer Fährturms. Mit Unterstützung des dortigen Heimatvereins und seines Vorsitzenden Günter Mössinger suchten die jungen Leute mit ihrem Geschichtslehrer Sören Kielmann nach noch vorhandenen Spuren der sogenannten Kriegsbrücke aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Sören Kielmann hatte seine Schüler in Gruppen eingeteilt, die mit Spaten nach den Fundamenten der 1939/40 im Auftrag der Wehrmacht für den Frankreichfeldzug durch die Firma Holzmann errichteten Brücke suchten, mit Fotoapparaten diese Arbeit dokumentierten, mit Zeitzeugen sprachen sowie Fundstücke sammelten – von der alten Glasflasche bis hin zu Metallteilen aus dem Bauwerk und Geschosshülsen. „Diesen Arbeitseinsatz hier finde ich klasse“, sagt zum Beispiel Jeirmain, der gerade auf der Wiese eines der Betonfundamente freilegt. Er habe von dieser interessanten Ortsgeschichte vorher nichts gewusst und das Projekt zeige ihm nun, wie geschichtsträchtig die Gegend sei. Ihm pflichtet Fabio bei, der ebenfalls das Fundament mit freilegt. „Einen derartigen Geschichtsunterricht könnte man öfter machen, das ist besser als in der Klasse sitzen“, sagt er und trägt weiter die Grasnarbe über dem Fundament ab.

„Der Besitzer der Wiese war mit unserer Arbeit hier einverstanden und wir werden nachher die Fundstellen wieder abdecken“, sagt Kielmann. Für seine Schüler sei dieses Projekt, das auf Antrag des Nordheimer Heimatvereins vom zuständigen hessischen Kultusministerium finanziell unterstützt wird, eine wichtige Erfahrung. „Von dieser Archäologie heute vor Ort und den damit verbundenen Erkenntnissen bleibt etwas“, sagt er.

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Günter Mössinger hatte im Mai ein Fundament dieser Brücke gefunden. Dass es weitere Fundamente der kurzlebigen Brücke auf Nordheimer Seite gebe, sei bekannt gewesen, durch die Arbeit der Schüler seien diese nun genau geortet, vermessen und kartiert sowie mit Fotos dokumentiert, stellt er zufrieden fest. Da zur Brücke keine Pläne existierten, leisteten die Schüler hier echte Pionierarbeit, so Mössinger. Möglicherweise könne man nun weitere Recherchen dazu im Freiburger Militärarchiv anstellen. Insgesamt acht Fundamente wurden beim Einsatz der Gymnasiasten entdeckt und freigelegt.

Auch Zeitzeugen aus Nordheim hatten sich zu diesem Vorhaben am Rhein eingefunden. Sie hatten als Kinder und Jugendliche den Bau und die Nutzung der Brücke gesehen und sie teilweise auch benutzt, um nach Rheindürkheim auf der anderen Rheinseite zu gelangen. „Ich bin als Kind stückweise über die Brücke gelaufen und den Rest des Wegs hat man damals mit dem Boot zurückgelegt, wenn die Pontons nicht ausgefahren waren“, berichtet der Nordheimer Walter Schmidt, der so Verwandte auf der anderen Rheinseite besucht hat. „Ab 1944 sind wir aber nicht mehr auf die Brücke wegen der Gefahr durch Tiefflieger“, berichtet er und verweist darauf, dass die Brücke durch deutsche Soldaten an Geschützen gesichert war. Er kann sich auch daran erinnern, wie die Brücke am 12. Januar 1945 von amerikanischen Tieffliegern angegriffen, aber nicht getroffen wurde.

Die Schüler werden ihren Einsatz an der Kriegsbrücke nun im Unterricht nachbereiten und eine Projektvorstellung in ihrer Schule erstellen, bei der sie ihre Fundstücke und Erkenntnisse präsentieren werden. „Das waren auch für uns unerwartete Erkenntnisse, denn wir haben nun insgesamt 18 Fundamente geortet und eingemessen sowie etliche freigelegt, die wir zuvor nicht kannten“, freut sich Mössinger.