Inflation: Familie zieht erschreckenden Vergleich zum Vorjahr
Die Paneks aus Rüdesheim führen akribisch Buch über ihre Ausgaben. So sehr sind seit April die Kosten gestiegen.
RÜDESHEIM. Es ist ein durchschnittliches Einfamilienhaus in einem noch jungen Neubaugebiet in Rüdesheim bei Bad Kreuznach, in dem die vierköpfige Familie lebt. Die ältere Tochter besucht die zweite Klasse und sitzt an ihren Hausaufgaben. Die Jüngere versucht, sie davon abzuhalten. Auch sie wird im kommenden Jahr eingeschult.
Einschulung ist kostspielig
Die Mutter der beiden Mädchen braucht nur wenige Mausklicks, um mir sagen zu können, was das kostet, so eine Einschulung. Schulgebühren gibt es ja glücklicherweise nicht, aber es müssen Hefte, Stifte, Mäppchen, Ranzen und vieles mehr angeschafft werden. „Schreibtisch und Stuhl“, steht etwa in einer der Exceltabellen, die Anja Panek akribisch führt. Wenn es ums Geld geht, überlässt die Finanzanalystin nichts dem Zufall und führt über den Haushalt der Familie ebenso detailliert Buch, wie sie das im Unternehmen tut.
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Jeder Einkauf, jede Anschaffung, jede Ausgabe für Wohnnebenkosten wird erfasst in monatlichen Tabellen und zugleich kategorisiert etwa nach Lebensmittel, Nebenkosten, Drogerieartikel, Medizin, Kleidung für Kinder oder Besorgungen für die Katze. Am Ende des Monats erstellt die 38-Jährige dann einen Abschluss, der sich mit den Bewegungen auf ihrem Konto decken muss und darüber hinaus im vorgegebenen Budgetrahmen liegen sollte. „Wenn es hier rot aufblinkt, dann werden Gründe eingetragen, die die höheren Ausgaben erklären“, so Panek. 900 Euro über Plan lag die Familie also im Monat Juli, Gründe hierfür waren unter anderem der schon angesprochene neue Schreibtisch und der dazugehörige Bürostuhl. Den Budgetrahmen selbst erfasst die zweifache Mutter durch eine Durchschnittsberechnung des Vorjahres.
Rahmen wird regelmäßig gesprengt
Doch jenen Rahmen, den sprengt die vierköpfige Familie spätestens seit April in jedem Monat. Das kann die zweifache Mutter sogar mittels einer grafischen Darstellung demonstrieren. Basierend auf den durchschnittlichen Ausgaben im vergangenen Jahr hat sie etwa für Lebensmittel ein monatliches Budget von 705,17 Euro festgelegt. Im April mussten die Paneks für die gleiche Menge Lebensmittel schon 745 Euro ausgeben, im Mai waren es 929 Euro und im August lagen die Ausgaben für Einkäufe bei 1014 Euro, also gut 300 Euro über Plan und folglich über dem, was noch im vergangenen Jahr durchschnittlich an Kosten für die Lebensmittel angefallen sind.
Nahezu parallel dazu verläuft der Graph für die Wohnnebenkosten, die Strom, Wasser und die Grundsteuer umfassen. Da das Haus durch eine Wärmepumpe beheizt wird, fallen keine Kosten für Öl oder Gas an. 392 Euro hatte Panek hierfür veranschlagt, bei 549 Euro standen diese Kosten etwa im Mai, im August waren es 449 Euro. „Im Vergleich zu den Durchschnittswerten des vergangenen Jahres ist das bei den Nebenkosten und den Ausgaben für Lebensmitteln eine Steigerung von etwa je zehn Prozent“, erklärt die Finanzanalystin. Allein seit April dieses Jahres spricht Panek sogar von einer Kostensteigerung von 22 Prozent beim Einkauf der Lebensmittel.
Lebensmittel oder Nebenkosten: Alles wird teurer
Betrachtet man zudem die Kostenentwicklung zwischen 2015 und 2022, auch die hat Panek selbstverständlich parat, dann ging sie im Jahr 2015 noch von durchschnittlichen Ausgaben für Lebensmitteln von 518 Euro pro Monat aus im Vergleich zu 766 Euro im Jahr 2022, das bisherige Mittel des Jahres. Die Nebenkosten sind von 284 Euro (2015) auf 360 Euro (2022) im monatlichen Durchschnitt angestiegen.
Zurück zum aktuellen Jahr 2022: Die Gesamtauflistung aller Ausgaben, die neben Lebensmitteln und Nebenkosten auch Ausgaben anderer Kategorien, nicht jedoch Kosten für Urlaube oder die Hausfinanzierung auflisten, zeigt ein Total von 2.880 Euro im August zu den ursprünglich im Plan vorgesehenen 1.990 Euro. Natürlich schwanken die monatlichen Ausgaben abhängig von unregelmäßigen Investitionen auch extrem voneinander. Der Januar 2022 liegt mit gut 1.700 Euro etwa noch deutlich unter dem Vorjahresmittel. Dennoch geht es von da an stetig bergauf und der August lag schließlich fast 1000 Euro über dem monatlichen Durchschnitt des Vorjahres - und das bislang ohne die in Aussicht gestellte Steigerung der Energiekosten, die die Familie Panek aufgrund der Wärmepumpe auch nur hinsichtlich steigender Strompreise tangieren wird.
Mehr sparen beim Einkaufen und der Energie
Wenngleich die Familie Panek mit der finanziellen Mehrbelastung derzeit noch zurechtkommt, wird darüber nachgedacht, wie künftig noch mehr gespart werden könnte beim Einkaufen oder auch beim Energieverbrauch. Weniger aussagefreudig über die eigene Buchführung sind hingegen die großen Lebensmittelkonzerne Aldi, Rewe und Edeka: Auf die Anfrage dieser Zeitung nach konkreten Preissteigerungen ausgewählter Lebensmittel wollte keiner Angaben machen. Sie werden wissen, warum nicht.