Es gibt wieder etwas mehr Sozialwohnungen in Hessen. Wegen der angespannten Lage in der Baubranche aufgrund steigender Zinsen und hoher Kosten ist nach Einschätzung von...
Wiesbaden (dpa/lhe) - . Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sieht Anzeichen für eine leichte Erholung auf dem angespannten Markt für Sozialwohnungen in Hessen. Mit einem Zuwachs von 1600 zusätzlichen Sozialwohnungen Ende 2022 habe es im zweiten Jahr in Folge einen Aufwärtstrend gegeben, sagte Al-Wazir am Mittwoch in Wiesbaden. Nachdem jahrzehntelang Tausende Sozialwohnungen aus der Bindung fielen, sei nun eine Trendwende geschafft worden. Wohnungspolitik brauche jedoch einen langen Atem. Der Bestand an Sozialwohnungen belief sich Ende 2022 auf insgesamt 82 159 in Hessen.
Wegen der steigenden Zinsen, Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferkettenschwierigkeiten und fehlenden Fachkräften sei die Baubranche derzeit jedoch insgesamt stark belastet. „Momentan werden viele geplante Neubauprojekte wegen der aktuellen Unsicherheiten angehalten“, berichtete der Minister. Das Land wolle mit verbesserten Förderbedingungen wie etwa höheren Darlehensbeträgen und Finanzierungszuschüssen für den Neubau von Sozialwohnungen die Entwicklung abfedern.
„Unser Ziel ist und bleibt, dass jede Hessin und jeder Hesse eine angemessene Wohnung zu einem bezahlbaren Preis finden kann“, betonte Al-Wazir. „Darum haben wir den besonderen Fokus auf geförderte Wohnungen und auf den Mieterschutz gelegt.“ Dazu gehöre auch, dass Mieten bezahlbar bleiben und nicht unendlich ansteigen. Dabei gebe es erste Erfolge, in den vergangenen Jahren habe sich in Hessen der Anstieg der Mieten verlangsamt.
Insgesamt stehen in Hessen nach Angaben des Ministers zwischen 2019 und 2024 Landes- und Bundesmittel in Höhe von 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung. „Wir sehen, dass die Mittel genutzt werden.“ Das liege auch an den verbesserten Förderbedingungen, der Zinssatz für Förderdarlehen sei kontinuierlich gesenkt und ein Zuschuss eingeführt worden. Weiterhin wurden laut Al-Wazir die Einkommensgrenzen erhöht, damit mehr Menschen von einer geförderten Wohnung profitieren können. Auch Familien mit Kindern würden stärker berücksichtigt.
Die Wohnungswirtschaft forderte dagegen deutlich mehr Anstrengungen und Förderungen, um mehr bezahlbaren Wohnraum in Hessen zu schaffen. „Die Situation auf dem hessischen Wohnungsmarkt ist äußerst angespannt“, sagte Axel Tausendpfund, Vorstand des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, der Deutschen Presse-Agentur. Der Zuwachs an Sozialwohnungen sei eine Momentaufnahme. Es bleibe eine Herkulesaufgabe, den Bedarf zu decken. Insgesamt müsse das Bauen wieder günstiger werden. „Wir fordern daher eine deutliche Reduzierung von kostentreibenden Bauvorschriften und den Verzicht auf die Grunderwerbssteuer beim Bau von bezahlbaren Wohnungen.“
Der Landesmieterbund bezeichnete die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Hessen als katastrophal. Der Wohnungsneubau stehe quasi still und die Zahl der Wohnungssuchenden steige weiter. Allein in Frankfurt habe rund die Hälfte der Mieterinnen und Mieter Anspruch auf eine geförderte Wohnung, aber nur viel zu wenige Menschen erhielten oder hätten tatsächlich eine solche Wohnung. Besonders belastet seien Alleinerziehende, Rentner und Studierende.
Der Bezirksvorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Michael Rudolph, mahnte: „Pro Jahr müssen mindestens 10 000 Sozialwohnungen zusätzlich in Hessen geschaffen werden.“ Diese Forderung erhob auch Linksfraktionschef Jan Schalauske. Der AfD-Wohnungsexperte Dimitri Schulz erklärte, statt auf Sozialwohnungen sollte auf Wohngeld gesetzt werden.
Der Wohnungsexperte der FDP-Fraktion, Stefan Naas, machte sich für einen Bürokratieabbau stark, um das Bauen zu vereinfachen und Investitionen durch private Bauherren attraktiver zu machen. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände forderte von der schwarz-grünen Landesregierung mehr finanzielle Anreize für Wohnungsbauflächen im kommunalen Finanzausgleich.
Durch die Aufstockung von Gebäuden könnten nach Einschätzung des Immobilienbesitzerverbands Haus & Grund Hessen allein im Rhein-Main-Gebiet 250 000 neue Wohnungen entstehen. So könnten neue Wohnungen ohne jeglichen Flächenverbrauch und Erschließungsarbeiten entstehen, erklärte der Verbandschef Christian Streim. Der Verband berief sich bei den Schätzungen nach eigenen Angaben auf wissenschaftliche Daten von Professor Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. Demnach werde das beschriebene Potenzial immer größer.
Der Wirtschaftsminister sagte, für die Aufstockung von Gebäuden habe es bereits Anpassungen im Bauordnungsrecht gegeben. Er hoffe, dass der Immobilienbesitzerverband auf seine Mitglieder einwirken wird, um diese Möglichkeiten zu nutzen.