Exklusiv aus der Redaktion: Spannende Themen aus Hessen

Neues aus Hessen.

Der Spargel wächst (noch nicht), die Eintracht siegt (bestimmt). Außerhalb von Hessen aber beherrscht Blut die Szene – das sind die Themen am Mittag.

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Hessen. Ganz sicher, würden nicht gerade jetzt vor meinem Fenster Schneeflocken auf die zugefrorenen Autos fallen, würde also, wie kalendarisch vorgeschrieben, der Frühling sein blaues Band wieder durch die Lüfte flattern lassen, dann würde ich etwas anderes schreiben. Etwas Heiteres, Erfreuliches. Oder ich versuche es mal mit Eskapismus, auf Deutsch: Realitätsflucht, machen andere ja auch.

Die Ampelkoalition etwa sagt, ihre Wahlrechtsreform sei verfassungskonform, weil sie weiß, dass sie genau das nicht ist. „Nicht perfekt“ sei sie, räumt Außenpolitik Michael Roth ein; ein Mannheimer Genosse geht noch deutlich weiter auf Distanz.

Mit Erfolg der Realität entronnen sind auch die Offiziellen bei Eintracht Frankfurt, die ihre Mannschaft nach dem heutigen Spiel in Neapel im Viertelfinale der Champions League wähnen. In diesen Bewusstseinszustand will ich auch, jetzt, da die Flocken draußen unentwegt rieseln. Daher endet dieser Newsletter mit wohlig-weltflüchtigen Erinnerungen an die Eintracht. Dazwischen halt wie üblich Mord und Totschlag. Beginnen aber will ich mit einer Abbitte.

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TOP 3 DES TAGES

Die Bitterkeit der Bauern

Für den Verkauf von Spargel brauchen die Landwirte in Lampertheim vor allem Arbeitskräfte, die rechnen und deutsch sprechen können.
Für den Verkauf von Spargel brauchen die Landwirte in Lampertheim vor allem Arbeitskräfte, die rechnen und deutsch sprechen können. (© Archivfoto: Thorsten Gutschalk)

Vor Kurzem habe ich mich an dieser Stelle über Bauern lustig gemacht; am Beispiel der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen ging es um das aus meiner Sicht automatisierte Jammern einer in dieser Disziplin unübertroffenen Berufsgruppe. Ein freundlicher wie gewitzter Landwirt aus dem Odenwald rief mich daraufhin an. Ja, da sei schon was dran. Aber es gebe auch vielerlei, nicht selbst verschuldete Gründe zum Jammern. Speziell mit dem Regionalbauernpräsidenten Dr. Willi Billau hätte ich mir überdies den Falschen vorgenommen: ein Schaffer, kein Seufzer.

Alles, was mir der Mann sagt, stimmte, und jetzt habe ich Gelegenheit, mich mit Willi Billau zu solidarisieren. Meiner Kollegin Tamara Krappmann hat er ein interessantes Gespräch gewährt über die Nöte der Spargelbauern. Energiepreise, Lohnstückkosten, vor allem aber das Verhalten der Verbraucher machen ihnen Sorgen. Auch wenn ich vom Spargelbauer-Geschäftsmodell früherer Jahre mit Billigkräften aus Osteuropa noch immer nicht vollends überzeugt bin, mache ich an dieser Stelle Werbung: Willi wählen! Also: Spargel aus heimischem Anbau kaufen! Der kommt demnächst geschossen, sobald der Schnee weg ist.

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Der Blutdurst der Besatzer

Dem Parlamentarischen Kontrollgremium soll ein Bericht zu den Nord-Stream-Explosionen vorgestellt werden.
Dem Parlamentarischen Kontrollgremium soll ein Bericht zu den Nord-Stream-Explosionen vorgestellt werden. (© Swedish Coast Guard/dpa)

Wenn nur mal die Russen weg sind. Ihre Geopolitik-Pipeline Nordstream I (warum eigentlich nicht North?) ist schon mal von uns gegangen. Und für die deutschen Daumendrücker russischer Kriegsverbrecher scheint endlich festzustehen, was sie schon immer wussten: Der Ami war’s. Oder die Nato. Oder halt die Freimaurer oder George Soros und Bill Gates. Egal, auch nicht unseriöser als die windige Recherche zur Sprengstoff-Yacht auf der Ostsee.

Diese wird jetzt in einer taz-Kolumne aufgespießt, deren Unterzeile es auf den Punkt bringt: „Eigentlich ist es egal, wer es war: Wer auch immer die Nord-Stream-Pipeline gesprengt hat, hat drei Preise verdient.“ Einer nämlich für den Plot, einer für den Schlag gegen fossile Energieträger und dann natürlich der „Gerhard-Schröder-Preis für Verdienste gegen die deutsche Sozialdemokratie“. Köstlich.

Wem das eine gar zu gutgelaunte Flucht vor der Realität eines Vernichtungskriegs ist, sollte den neuen Aufsatz von Boris Schumatsky lesen. Der deutsch-russische Schriftsteller schildert in hoher literarischer Qualität ziel- wie schrankenlose Gewalt als Alltagserfahrung in der russischen Gesellschaft. Wie konnte „der Westen“ all die Jahre übersehen, was da heranwächst?

Die Blindheit der Behörden

Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sitzt im Rathaus während der Landespressekonferenz zum aktuellen Ermittlungsstand der Amoktat. Am vergangenen Donnerstagabend hatte der 35-jährige Philipp F. in Hamburg-Alsterdorf sieben Menschen erschossen, darunter ein ungeborenes Kind. Dann tötete er sich selbst. Neun Menschen wurden verletzt.
Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sitzt im Rathaus während der Landespressekonferenz zum aktuellen Ermittlungsstand der Amoktat. Am vergangenen Donnerstagabend hatte der 35-jährige Philipp F. in Hamburg-Alsterdorf sieben Menschen erschossen, darunter ein ungeborenes Kind. Dann tötete er sich selbst. Neun Menschen wurden verletzt. (© Marcus Brandt/dpa)

Ja, wie kann man nur so blind sein? Das wird gerade auch die Hamburger Waffenbehörde gefragt nach der Tat des in aller Verwirrung planvoll mordenden Amokläufers von Alsterdorf. Die Pressekonferenz des Polizeipräsidenten von Hamburg hat auf eigene Art Antworten gegeben. Lieber schimpfte Ralf Martin Meyer über anonyme Hinweisgeber als über seine Leute, die vor lauter Waffen keine Gefahr sahen. Die nicht erkannten, dass in der bescheidenen Butze des angeblichen Top-Beraters mit 250.000 Euro Tageshonorar etwas nicht stimmte. Klar, hinterher ist man klüger. Oder auch nicht, wie der bizarre Auftritt des Polizeipräsidenten nahelegt.

Auf einen möglicherweise mitentscheidenden Aspekt des Amoklaufs haben Kollegen des Redaktionsnetzwerks Deutschland hingewiesen. Philipp F. war wie auch die Attentäter von Oslo, Halle oder Hanau nicht nur durchgeknallt und radikalisiert. Er war auch „Incel“, also unfreiwillig alleinlebender Mann. Vielleicht, so die These, sei Frauenhass neben pseudoreligiöser und politischer Verblendung Triebfeder der Schandtat gewesen.

ZU GUTER LETZT

Endlich entkommen: Verweile doch, Du bist so schön

Also, das ist doch wirklich alles zum Weltflüchten. Gelegenheit dazu bietet ein neuer Film zur Frankfurter Eintracht, genauer: zum Durchmarsch der Mannschaft bis zum Gewinn des Europapokals am 18. Mai 2022. Am 23. März kommt der Streifen in die Kinos, unter anderem nach Bensheim, Darmstadt, Erbach, Groß-Gerau und Mörfelden-Walldorf. Im Interview mit meinem Kollegen Heiko Weissinger weist Eintracht-Medienmanager Jan Martin Strasheim empört zurück, dass die Wartezeit in den Kinosesseln diesmal gar zu lange ausgefallen sei. In einem aber sind sich die beiden einig: dass man sich den Film – im Gegensatz zum Spiel heute Abend – nicht entgehen lassen darf.  

Exklusiv aus der Redaktion „Hessen am Mittag”

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