Heag-Mobilo modernisiert ab 2025 die Tramlinie 3 durch den Darmstädter Stadtteil, zeitgleich werden Kanäle und Versorgungsleitungen erneuert. Bürger fragen nach Anliegergebühren.
Darmstadt. Großoperation an der Hauptschlagader: Im Herzen von Bessungen steht ein tiefgreifender Eingriff bevor, der das Leben im Stadtteil zweieinhalb Jahre lang prägen und beeinträchtigen wird. Ab 2025 erneuert Heag-Mobilo Gleise samt Unterbau sowie Oberleitungen der Straßenbahnlinie 3 auf ihrem Weg durchs Viertel entlang der Karlstraße, Bessunger Straße und Ludwigshöhstraße zwischen Nieder-Ramstädter und Paul-Wagner-Straße. Auch drei Haltestellen werden umgebaut.
Die Erneuerung der abgefahrenen und technisch veralteten Bahnanlagen aus den 1960-er Jahren wird genutzt, um bei der Gelegenheit auch weitere Infrastruktureinrichtungen im Boden instandzusetzen oder auszutauschen: Kanäle, Gasleitungen, Stromkabel. Auf großes Interesse der Stadtteilbewohner stieß eine Infomesse von Stadt und Verkehrsbetreiber zu den geplanten Maßnahmen. Weit mehr als 100 Bessungerinnen und Bessunger kamen dafür am Mittwochabend in die Knabenschule. Die umstrittene Anbindung des Ludwigshöhviertels war nicht Thema der Veranstaltung.
„Keiner von ihnen wird zweieinhalb Jahre lang eine Baustelle vor der Tür haben“, versicherte Astrid Tschann, Abteilungsleiterin für das Straßenbahnnetz bei Heag-Mobilo, den Anwesenden. Die Arbeiten sollen laut Planung abschnittweise in Form einer Wanderbaustelle erfolgen, die Vollsperrung soll sich über maximal 100 Meter erstrecken. „Das Leben und die Versorgung müssen in Bessungen weitergehen“, sagte Tschann. Rettungswege und Zufahrtsmöglichkeiten für die Feuerwehr würden gesichert. „Auch in voll gesperrten Bereichen können Anwohner*innen in der Regel ein- und ausfahren“, heißt es auf einer Infotafel, und: „Andienung des Einzelhandels und der Gastronomie wird in der Planung berücksichtigt.“ Eine genaue Zeitplanung, wann an welchen Abschnitten gearbeitet wird, liegt noch nicht vor.
Wir wollen Bessungen entlang der Linie 3 infrastrukturell fit für die Zukunft machen.
„Igel 3“ haben findige Texter das Gemeinschaftsprojekt von Stadt, Heag-Mobilo und Entega mit den Töchtern E-Netz Südhessen und Medianet getauft. Die griffige Abkürzung steht für „Infrastruktur-Grunderneuerung entlang der Linie 3“. Baudezernent Paul Wandrey hob in einer kurzen Ansprache die Synergieeffekte hervor, die durch Zusammenlegung vieler Einzelmaßnahmen erzielt würden. Sie könnten die unumgänglichen Erneuerungsarbeiten auf und unter der Nord-Süd-Verbindung durch den Stadtteil zeitlich deutlich verkürzen. Gleichwohl sei klar, dass den Anwohnern eine „ziemliche Belastung“ bevorstehe. „Wir wollen Bessungen entlang der Linie 3 infrastrukturell fit für die Zukunft machen“, fasste Wandrey zusammen.
Haltestellen werden barrierefrei
Erneuert und barrierefrei umgebaut werden die Haltestellen „Heinrichstraße“, „Goethestraße“ und „Ludwigshöhstraße“. Die letztere soll zudem in beide Fahrtrichtungen künftig südlich der Landskronstraße liegen. Die Bahnsteige werden zugleich auf die neue Standardlänge von 45 Meter verlängert, um auch in Bessungen längere Züge einsetzen zu können. Wo Fahrgäste zum Ein- und Aussteigen eine Autofahrbahn überqueren müssen, wird diese im Haltestellenbereich um 20 Zentimeter angehoben.
Straßenbild soll „aufgeräumter“ wirken
Zu schwach sei inzwischen auch die Stromversorgung für moderne Straßenbahnen mit Klimaanlagen und Info-Systemen, erklärt Paul Röschner, stellvertretender Projektleiter bei Heag-Mobilo. Leitungen und andere elektrische Einrichtungen würden deswegen verstärkt. Viele der bisherigen Wandanker für die Oberleitungen werden wegen der höheren Zugkraft durch Fahrleitungsmasten ersetzt. „Das kleinere Übel“, sagt Röschner dazu. Gleichwohl stellt Heag-Mobilo eine Verminderung der Zahl von Masten im Straßenraum in Aussicht, da künftig mehrere Funktionen – außer den Leitungen noch Licht, Ampeln und Straßenschilder – kombiniert werden sollen. „Dadurch wird das Straßenbild nach der Infrastruktur-Grunderneuerung insgesamt aufgeräumter aussehen“, verspricht der Verkehrsbetreiber.
Aus der deutschen Kaiserzeit, genauer aus den 1890-er Jahren, stammen große Teile des Mischwasserkanals unter den Straßenzügen. Er sei an vielen Stellen nicht mehr dicht, erläutert Bauingenieur Andreas Wetzstein von der Stadtverwaltung. Bekannt als Problemstellen seien Abschnitte in der Karl- und der Landskronstraße. Im sogenannten Inliner-Verfahren soll der Kanal abgedichtet werden – dabei wird das Bestandsbauwerk mit Kunststoff ausgekleidet. Andernorts wird der Kanal erweitert, um größere Wassermengen aufnehmen zu können.
Frage nach Kosten für Anwohner
Mehrere Anwesende fragten bei der Infoveranstaltung nach möglichen Anliegergebühren für die Baumaßnahmen. Die Frage könne noch nicht beantwortet werden, erklärte Anke Bachem, Leiterin des Mobilitätsamts, zum Unmut mancher Zuhörer. „Die Maßnahme ist nicht kostenlos“, sagte die Amtsleiterin. Doch entstünden den Anwohnern weder Kosten für den Kanal noch für die Bahnanlagen. Im Norden des Igel-3-Projekts seien wegen der Art der Arbeiten keine Straßenbeiträge zu erwarten, im südlichen Teil würden diese nach Fertigstellung anhand der realen Kosten berechnet.