Darmstadts Ex-Denkmalschützer Nicolaus Heiss referiert über das zwischen 1872 und 1900 entstandene Gründerzeitviertel.
Von Karin Walz
Mitten im Zentrum des Quartiers: die Johanneskirche.
(Archivfoto: André Hirtz)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
JOHANNESVIERTEL - Den Blick für die baulichen Schätze des Johannesviertels schärfte am Mittwochabend ein Vortrag von Nikolaus Heiss. Auf Einladung des Fördervereins Initiative Johannesplatz skizzierte der ehemalige Denkmalschützer, Fotograf und Koordinator für die Mathildenhöhe die Entwicklung des zwischen 1872 und 1900 entstandenen Gründerzeitviertels. Im Gemeindehaus der Johannesgemeinde nahm er seine rund 150 Zuhörer mit zu einer spannenden Zeitreise durch die Darmstädter Baugeschichte, die er mit zahlreichen historischen und aktuellen, selbst aufgenommenen Detail- und Luftaufnahmen würzte.
Bismarckstraße war einst eine Promenade
Nikolaus Heiss spannte den Bogen von der einstigen Wildhube, eines Landguts, aus dem sich die spätere Schlossanlage und die sich daran anschließende Siedlung entwickelte, über die Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1330, die Errichtung der alten Vorstadt an der Alexander- und Magdalenenstraße im Renaissancestil und den Barockbauten Landgraf Ernst-Ludwigs im 18. Jahrhundert bis hin zur Errichtung der Mollerstadt im Süden und Westen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Darmstadt verzeichnete in den darauffolgenden Jahrzehnten ein enormes Bevölkerungswachstum und so zeichneten sich schon bald mit der Promenade (der heutigen Bismarckstraße) und der Frankfurter Straße die ersten Konturen des heutigen Johannesviertels ab. An diesen Straßen stehen noch heute einige der um 1860 errichteten Landhäuser „mutiger Bürger“, „die es wagten, außerhalb der Stadt zu bauen.“
Mit der Gasanstalt und dem städtischen Lagerhaus wurde das Gebiet auch gewerblich genutzt. Eine Mischung aus Industrie und Wohnen sah denn auch der 1872 von Hermann Müller stammende Entwurf für das neue Stadtviertel vor. Die Initiative dazu ging von der Terrain- und Baugesellschaft Blumenthal aus, die aus der gleichnamigen, an der Landwehrstraße angesiedelten Maschinenfabrik hervorgegangen war. Bis 1888 wurden Gründerzeitbauten errichtet, im Neo-Barock, im Renaissance-Stil oder mit Fassadenschmuck, in dem sich unterschiedliche Stilrichtungen mischten. „Dann war der Bauboom erst einmal vorbei“, erklärte Nikolaus Heiss, „eine Rezession setzte ein“. Da waren die meisten Straßenzüge und Plätze bereits bebaut, nur ganz im Norden war das zunächst als Blumenthal-Viertel bezeichnete Areal noch frei von Bebauung. Mit der Einweihung der 1894 fertiggestellten Johanneskirche erhielt der neue Stadtteil schließlich seinen endgültigen Namen.
INITIATIVE JOHANNESPLATZ
Vor zehn Jahren entstand die Initiative. Ziel war, die Umgestaltung des Johannesplatzes herbeizuführen und den Platz zu einem lebendigen Mittelpunkt des Johannesviertels zu machen. So wurde der Platz neu geordnet und historisches Mosaikpflaster instandgesetzt. Der Platz dient heute als Ruhe- und Treffpunkt für Groß und Klein. Jeden Donnerstag findet dort ein Wochenmarkt statt. Außerdem werden Spiel-, Kultur- und Kreativfeste abgehalten.
Infos: www.johannesplatz-darmstadt.de (kaw)
Nikolaus Heiss wies seine Zuhörer auf die vielen erhaltenen historischen Details hin: auf Befestigungsvorrichtungen an den Fassaden für die Oberleitung der einst durch die Liebigstraße verlaufenden Straßenbahnlinie. Auf historische Türklinken und Außenlaternen der Eleonorenschule, die seit 1911 zusammen mit der Liebigschule die Schulinsel bildet. Auf historische Zäune und Balkoneinfassungen, die ebenso wie aus Stein gehauener Fassadenschmuck von großer handwerklicher Qualität zeugen. Und er zeigte Aufnahmen von Wand- und Deckenmalereien in zahlreichen Häusern, die den Passanten normalerweise verbogen bleiben.
Beim Bombenangriff auf Darmstadt im September 1944 blieb das Johannesviertel weitgehend verschont, die ursprüngliche Bausubstanz größtenteils erhalten. „So ist das Johannesviertel heute sogar hessenweit von Bedeutung“, resümierte Nikolaus Heiss, „denn es ist eines der größten zusammenhängenden Gründerzeitviertel“.