Betriebswirt und Verleger Daniel Fuhrhop plädiert bei „Agora“, beim Wohnen enger zusammenzurücken
Von Karin Walz
Wohnen verbraucht Fläche. Deswegen plädieren Umweltschützer dafür, weniger neu zu bauen, dafür die vorhandenen Flächen besser zu nutzen.
(Foto: dpa)
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WOOGSVIERTEL - Verbietet das Bauen! Angesichts des allseits beklagten Wohnungsmangels und steigender Mietpreise wirkt der Titel des Vortrags von Daniel Fuhrhop mehr als provokant. Doch der auf Einladung des BUND, der Lokalen Agenda 21 und der Volkshochschule aus Oldenburg angereiste Betriebswirt hat dafür bei seinem Auftritt im Wohnprojekt Agora eine stichhaltige Begründung parat: „Die Radikalität der Forderung kommt daher, dass wir in den radikalen Zeiten des Klimawandels leben.“
Neue Wohnungen, Straßen und Infrastruktureinrichtungen führen zu steigenden Flächenverbrauch und Bodenversiegelung. „Und sind für die Kommunen eine langfristig teure Angelegenheit“, sagt der ehemalige Verleger von Architekturpublikationen. Denn für jedes Neubauprojekt müssen Straßen und Versorgungsleitungen errichtet werden, deren Unterhalt Städte und Kommunen langfristig belasten. Neubauten seien zudem meist wenig ökologisch, vergeudeten Platz und fielen unverhältnismäßig voluminös aus.
Der Trend zu Single-Haushalten verschärfe das Problem: So seien zwischen 1981 und 2013 rund sechs Millionen Wohnungen gebaut worden – bei einer relativ konstanten Einwohnerzahl. Das Ergebnis: In Deutschland leben rund sechs Millionen Menschen allein in vier oder mehr Räumen. Durchschnittlich beanspruchen Alleinlebende 68 Quadratmeter Wohnraum. In einen Vier-Personen-Haushalt liegt der Pro-Kopf-Bedarf lediglich bei 31 Quadratmetern. „Natürlich ist es eine Befreiung, dass wir nicht so beengt wohnen müssen“, stellt Fuhrhop klar. Doch andererseits: „Viele dieser Menschen leben unfreiwillig allein.“
Fuhrhop propagiert deshalb gemeinschaftliche Wohnformen. Ob in Form von „Wohnen gegen Hilfe“, bei der Zimmer an Studenten gegen Unterstützung bei Besorgung oder im Haushalt vermietet werden oder Mehrgenerationen-Wohnprojekte, in denen Terrassen, Hofflächen, Waschräume, Gästezimmer, Werkraum oder Kinderspielzimmer allen zur Verfügung stehen und so die individuell genutzte Fläche reduziert wird. „Diese Ansätze müssten von der Politik und den Kommunen viel stärker gefördert werden“, fordert Fuhrhop – durch entsprechende Beratungsangebote oder finanzielle Förderung. Positiv hebt er das Beispiel eines Wohnungsbauunternehmens hervor, das Mietern, die sich verkleinern wollen, in der neuen Wohnung den gleichen Quadratmeterpreis garantiert wie in der alten Wohnung.
Doch nicht nur die Politik ist gefordert, sondern auch der Einzelne. An seine rund zwei Dutzend Zuhörer appelliert Fuhrhop, mal den eigenen Platzbedarf zu überdenken und fragt in die Runde: „Können Sie denn alle ihre Fenster öffnen, ohne vorher alles Mögliche von der Fensterbank zu räumen?“
Sich von Überflüssigem befreien
Fuhrhop zeigt Verständnis dafür, dass es vielen schwer fällt, sich von meist unnützen Dingen zu trennen und hält Tricks für die Überwindung des Drangs zum Horten parat: „Überlegen Sie sich mal, mit wie wenig Sie im Urlaub auskommen. Wenn Sie dieses Gefühl auf das normale Leben übertragen, schaffen Sie es schon leichter, mit weniger Platz auszukommen.“ Und weniger Platz bedeutet, weniger Geld dafür aufbringen zu müssen. Und dafür muss man nicht unbedingt dem Trend zum „Tiny Haus“, dem Leben auf kleinstmöglichen Raum frönen.
„Das alles ist nicht einfach“, schließt Daniel Fuhrhop seinen Vortrag. „Aber mit dem Wohnraum schaffen ohne neu zu bauen, ist es wie mit dem Bauen selbst: Es ist zeitraubend, kostet Geld – wenn auch weniger – und Nerven. Aber unterm Strich lohnt es sich, ist ökonomischer und nachhaltiger. Man muss es nur wollen.“