Die SPD-Landtagskandidatin Anne Marquardt verschlägt es im Wahlkampf samt prominenter Unterstützung an einen ungewöhnlichen Ort. In Thildas Eisdiele geht sie mit Bürgern in...
DARMSTADT. Einen sehr entspannten Wahlkampfauftritt haben der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und die SPD-Landtagskandidatin Anne Marquardt am 11. September unter dem Motto „Auf ein Eis“ bei „Thildas“ in der Alexanderstraße hingelegt. Beide haben die etwa 30 interessierten Bürger, aber auch Passanten, eingeladen, sich eine kostenlose Kugel Eis in dem Laden abzuholen – was auch rege genutzt wurde.
Bildergalerie
Im Mittelpunkt standen natürlich politische Inhalte. Beide Politiker – wegen eines vorangegangenen Besuchs bei Evonik mit einer Stunde Verspätung eingetroffen – kamen schnell ins Gespräch mit den Bürgern. Als ein älterer Mann behauptete, es gebe längst keine Demokratie mehr in Deutschland, ermunterte Kühnert dazu, nicht abseits zu stehen, sondern sich selbst zu engagieren.
Die AfD – für viele ein Schreckgespenst – handele doch mit Blick nur nach dem Motto: „Ihr müsst zunächst alle weg, dann sehen wir, was wir dann an Politik machen.“ Die Folge: Kein AfD-Wähler wisse, was er von dieser Partei bekomme. Auf den oft gehörten Einwand, auf der Bundesebene herrsche doch immer nur Streit, entgegnete der SPD-Generalsekretär, das sei doch immer so bei Koalitionsregierungen: „Der kleine Partner schießt oft quer. Früher war es die CSU, heute die FDP.“
Keine Endzeitstimmung bei der Jugend
Kühnert widersprach dem Eindruck, gerade in der Jugend herrsche wegen der vielen gleichzeitigen Krisen eine Endzeitstimmung. Es gelte die inländischen Potenziale zu heben und er verwies darauf, dass nur 30 Prozent der Frauen in Vollzeit arbeiteten, 80 Prozent das aber wollten. Als Hindernisse nannte er steuerliche Fehlanreize und zu hohe Kita-Gebühren. Das sei für viele Frauen eine Karrierefalle.
Anne Marquardt sagte, die SPD werde sich für gebührenfreien Besuch ab dem ersten Betreuungstag einsetzen. Es sei doch für Kinder nicht förderlich, den ganzen Tag nur mit Mutter oder Vater allein zu sein. Das Geld für eine kostenlose Kinderbetreuung könne man durch schärfere Verfolgung von Steuerhinterziehung aufbringen: „Der Ankauf von Steuer-CDs hat doch viel gebracht“, so Marquardt. Und sie erinnerte an den Wegfall von Studiengebühren in Hessen, was heute kaum einer noch wisse.
Kühnert dazu: „Berlin hat vieles freigestellt und dort arbeiten mehr Frauen in Vollzeit als im bundesweiten Durchschnitt. Bei guter Betreuungsstruktur werden viele Arbeitskräfte frei und es kommt mehr Geld in die Kassen.“
Er bezeichnete das Semesterticket als ein beispielhaftes Solidarmodell, weil alle zahlten, aber nicht jeder das Ticket nutze. Im Kreis der umstehenden Studenten berichtete er, dass das Semesterticket mit einem Zusatz zum Deutschland-Ticket upgegradet werden soll. Spareffekt: Keine doppelten Tickets mehr nötig.
Ein weiteres Beispiel: Nach Kühnerts Worten werde im Zuge von Bürokratieabbau daran gearbeitet, die IBAN für Bankgeschäfte und die Steuer-ID zusammenzubringen. Einige Studenten berichteten allerdings, dass bei ihnen die Auszahlung der Energiepreisbremse einfach und komplikationslos geklappt habe. Für die jungen Leute vor „Tildas“ gab es auch noch ein Miniseminar der beiden Politik-Profis. „Kompromisse sind etwas Gutes im politischen Prozess“, sagte Marquardt und ihr Kollege Kühnert dozierte, man müsse bei Verhandlungen deutlich machen, was einem wichtig sei. Und hinterher solle man nicht behaupten: „Wir haben uns völlig durchgesetzt.“ Das glaube keiner.