„Wie Chemotherapie am Objekt“

Der fast 200 Jahre alte Löwenbrunnen am Mathildenplatz (im Hintergrund das alte Landgerichtsgebäude) wird derzeit saniert – eine große Aufgabe für Restaurator Matthias Steyer und sein Team – darunter Praktikant Julius Jacobi.  Fotos: André Hirtz   Foto:

Es ist eines der schönsten Denkmäler in Darmstadt: der Löwenbrunnen auf dem Mathildenplatz. Löwen und Löwenköpfe speien Wasser, das malerisch über die Brunnenschalen...

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MOLLERSTADT. Es ist eines der schönsten Denkmäler in Darmstadt: der Löwenbrunnen auf dem Mathildenplatz. Löwen und Löwenköpfe speien Wasser, das malerisch über die Brunnenschalen fließt. „Ein Schmuckstück“, sagt Petra Gotta von der Unteren Denkmalschutzbehörde in Darmstadt.

Der fast 200 Jahre alte Löwenbrunnen am Mathildenplatz (im Hintergrund das alte Landgerichtsgebäude) wird derzeit saniert – eine große Aufgabe für Restaurator Matthias Steyer und sein Team – darunter Praktikant Julius Jacobi.  Fotos: André Hirtz   Foto:

Ein Schmuckstück aus rotem und gelbem Sandstein, das seit 2013 trocken liegt und dessen Sanierung nun beginnt. Vor vier Jahren floss das letzte Wasser, seitdem bröckelt es an dem fast 200 Jahre alten Brunnen auf dem Platz vor dem Gericht. Dass es so lange mit dem Beginn der Sanierungsarbeiten gedauert hat, erklärt Gotta mit dem „extrem langen Abstimmungsprozess“, an dem neben der Darmstädter Behörde noch die Landesdenkmalpflege, Restauratoren, Steinmetze, Metallbauer, Techniker und Statiker beteiligt waren.

Jetzt aber wird gearbeitet – nicht nur am Brunnen selbst, sondern auch in der Werkstatt von Matthias Steyer, Diplom Restaurator aus Niedernhausen. In der vergangenen Woche hat er mit seinen Helfern die vier imposanten Löwen demontiert und in seine Werkstatt gebracht. Schon das war ein schwieriges Unterfangen – schließlich wiegt ein Sandstein-Exemplar knapp 600 Kilogramm.

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Auf die vier liegenden Löwen kommt eine aufwendige Restaurierung zu. Da der Sandstein unter der Kalkschicht stark angegriffen ist, müsse man sich Schicht für Schicht vorarbeiten, sagt Steyer. Vor allem Stellen, die dem Sprühwasser ausgesetzt waren, sind sehr porös, an anderen wiederum ist der Sandstein noch recht stabil. „Brunnensanierungen sind aber immer eine besondere Herausforderung“, sagt der Restaurator, der auch die Brunnen im Park von Schloss Biebrich saniert hat. „Man hat es ja nicht mit einem Denkmal zu tun, das auf einem Sockel steht, sondern mit einem, dessen Technik auch funktionieren muss.“

Komplizierte Technik für Düsen und Abfluss

An dieser Stelle kommt Wolfgang Krämer vom Immobilienmanagement Darmstadt (IDA) ins Spiel. „Man sieht ja gar nicht, was nötig ist, damit alles funktioniert“, sagt Krämer. Die Brunnentechnik sei kompliziert, vor allem wegen der Detaillösungen für Düsen- und Abflusstechnik. Dafür müssen die Experten einen Stock tiefer gehen: Unter dem Brunnen gibt es ein weiteres Bauwerk, ein Gang mit Kammer, Umwälzpumpe und Leitungen, die den Brunnen mit Wasser versorgen.

Nun aber stehen als erstes die Arbeiten unter freiem Himmel an. Von den Löwenköpfen werden die Kalkschichten, die wie Baumringe übereinander liegen, vorsichtig mit einem kleinen Meißel abgetragen, bis eine kristalline Schicht sichtbar wird. Die letzte Schicht wird mit einer organischen Säure gelöst, dann werden Kompressen zur Neutralisierung aufgebracht. „Das ist wie eine Chemotherapie am Objekt“, sagt Steyer. Säure und Kompressen müssten zeitlich perfekt aufeinander abgestimmt sein. Und es habe einiger Testläufe bedurft, um zu sehen, wie der Stein reagiert.

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In der Werkstatt wird das gleiche Prozedere für die vier Löwen angewendet. Dort allerdings können die Arbeiten zeitlich besser koordiniert werden. „Da haben wir weder Regen noch Sturm – und die Kompressen bleiben dort, wo sie sind.“

Auch von dem Brunnen selbst muss der Kalk Schicht für Schicht entfernt werden. Risse müssen geschlossen und ausgebessert, Fugen erneuert werden. Ein weiteres Restauratoren-Team kümmert sich parallel dazu um die Wiederherstellung der Stufen und die gusseiserne Schale als höchsten Punkt des Brunnens. Die knapp vier Tonnen schwere Schale wird entrostet und neu grundiert. „Dann“, sagt Krämer, „ist auch sie wieder funktionsfähig“.

Die nächste Herausforderung wartet dann auf die Techniker, die Leitungen und Wasserzufuhr so regulieren müssen, dass das Wasserspiel einwandfrei läuft. „Das ist auch nicht ohne“, sagt Wolfgang Krämer.

Bis die rund 130 000 Euro teure Sanierung abgeschlossen ist, wird es wohl Herbst werden, schätzen die Fachleute. „Vor der Frostperiode hoffen wir aber auf jeden Fall auf einen Probelauf“, sagt Petra Gotta. 2018, so hofft sie, wird der Löwenbrunnen aber auf jeden Fall wieder sprudeln wie in seinen besten Zeiten.