„Wenn du nicht mehr brennst, starte neu“ rät Rainer...

„Wenn du nicht mehr brennst, starte neu“ rät Rainer Zitelmann in seinem neuen Buch. Foto: Karl-Heinz Bärtl  Foto: Karl-Heinz Bärtl
© Foto: Karl-Heinz Bärtl

Es ist nicht alltäglich, dass ein Achtjähriger, dessen Kinderzimmer wie ein Büro aussieht, der SPD-Ikone Willy Brandt einen Brief mit Karikaturen schickt. Fünf Jahre...

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DARMSTADT. Es ist nicht alltäglich, dass ein Achtjähriger, dessen Kinderzimmer wie ein Büro aussieht, der SPD-Ikone Willy Brandt einen Brief mit Karikaturen schickt. Fünf Jahre später ist der hochbegabte Junge selbst politisch aktiv: Mit 13 gründet der eifrige Leser der „Peking Rundschau“ an seiner Schule in Frankfurt eine „Rote Zelle“ und gibt die Zeitung „Rotes Banner“ heraus. Mit 14 tritt er der Jugendorganisation der maoistischen KPD/ML bei und schreibt aufrührerische Artikel mit Überschriften wie „Für den Profit der Reichen geht Nixon über Leichen“.

Der Direktor der Georg-Büchner-Schule, die er nach dem Umzug der Familie nach Messel besucht, legt ihm den Schulwechsel nahe. Fortan besucht er die Viktoriaschule, wo er das Abitur ablegt – nicht ohne sich zuvor nach der zwölften Klasse ein Sabbatjahr zu gönnen („Ich habe oft die Schule geschwänzt und viel Haschisch geraucht“).

Heute ist Rainer Zitelmann zweifacher Doktor, Multimillionär und politisch laut Eigeneinschätzung ein „demokratischer Rechter“, auf dessen Auto schon mal in Berlin ein Brandanschlag Autonomer Gruppen verübt wurde.

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Reich werden, um unabhängig zu sein

Ein solcher Mensch lässt sich in keine Schublade stecken. Rechtzeitig zu seinem 60. Geburtstag am 14. Juni hat der Wissenschaftler, Autor, Journalist, zeitweiliger Inhaber einer PR-Agentur und Immobilien-Investor eine Autobiografie veröffentlicht mit dem Titel „Wenn Du nicht mehr brennst, starte neu“.

Nach dem Studium der Geschichte und Politikwissenschaft schreibt er eine viel beachtete Doktorarbeit „Hitler – Selbstverständnis eines Revolutionärs“ (summa cum laude), die vor allem von der Linken heftig kritisiert wird. Marxist ist Zitelmann schon lange nicht mehr. „Mich haben die gängigen Theorien, wonach Hitler ein willfähriger Knecht des Kapitals gewesen sei, nicht überzeugt. Außerdem hat es mich gestört, dass Menschen, die in den Siebzigerjahren auf Probleme beim Zusammenleben mit Ausländern hingewiesen haben, von Multikulti-Leuten sofort in die rechte Ecke gestellt wurden.“

Zitelmann arbeitet als Historiker an der Freien Universität Berlin, wechselt zum Ullstein-Propyläen-Verlag, wo er als Cheflektor liberalen und konservativen Autoren eine Plattform gibt. Als Ressortleiter bei der Springer-Zeitung „Die Welt“ stößt er schnell auf Widerstände, weil er in deren Beilage „Geistige Welt“ Autoren aus dem rechten Lager zu Wort kommen lässt. „Das war eine Schlangengrube“, urteilt er rückblickend. Ein faktisches Schreibverbot sei nach einem Jahr dank der Einflussnahme des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und des Mehrheitsaktionärs Leo Kirch aufgehoben worden. Aber Zitelmann will nun nicht mehr. Ein Gespräch mit Gauweiler, Bundestagsabgeordneter mit den höchsten Nebeneinkünften, wird zum Erweckungserlebnis, wie Zittelmann sagt. „Nonkonformistische Leute wie wir“, habe der streitbare CSU-Politiker gesagt, „müssen reich werden, um unabhängig zu sein“. Da habe es bei ihm „klick“ gemacht.

Zitelmann, der bei der „Welt“ eine tägliche Immobilienseite verantwortete, gründet eine PR-Agentur, spezialisiert auf die Immobilienbranche. Die Agentur brummt, hat zuletzt 50 Mitarbeiter. Zitelmann investiert daneben selbst erfolgreich am Immobilienmarkt. Doch nach 15 Jahren verkauft er sein Unternehmen an einen Mitarbeiter, schließt an der Universität Potsdam seine zweite Promotion ab; seine Dissertation „Psychologie der Superreichen“ mit Interviews von 45 Menschen mit einem Vermögen zwischen 30 Millionen und einer Milliarde Euro erscheint ebenfalls als Buch. Auf die Frage, auf welche Gemeinsamkeiten er dabei gestoßen ist, nennt Zitelmann zwei: „Fast alle haben bei einem Scheitern die Schuld nicht anderen gegeben, sondern sich selbst. Das macht frei, denn dann kann ich Fehler beim nächsten Mal vermeiden. Und: Schon als Studenten haben die späteren Millionäre irgendetwas mit Verkauf oder Vertrieb gemacht.“ Im Gespräch lässt sich Bentley-Fahrer Zitelmann noch ein ganz persönliches Motiv, reich werden zu wollen, entlocken: „Wenn man alt ist, so dachte ich als junger Mensch, wird es ohne Kohle schwierig mit hübschen Freundinnen.“ Und fragt seine junge Begleiterin: „Wären wir zusammen, wenn ich Busfahrer oder Hartzer wäre?“ Und gibt zu: „Von den 45 Millionären war keiner so unverträglich wie ich.“