Viele Parkplatz-Rempler suchen das Weite

Wer beim Parken ein anderes Auto rammt, muss dafür sorgen, dass seine Personendaten festgestellt werden können. Foto: dpa

Rund 1300 Fälle von Fahrerflucht verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr.

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DARMSTADT. Ein Achtjähriger wird von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert, ein Auto touchiert bei einem Überholmanöver drei andere und verursacht 8000 Euro Schaden, ein Radler schrammt mit einem Grill unterm Arm an einem parkenden Auto entlang, ein parkendes Auto wird beim Einparken eines anderen Fahrzeugs so beschädigt, dass es nicht mehr fahrtüchtig ist – und in allen Fällen haben sich die Verursacher unrechtmäßig vom Unfallort entfernt. Es sind nur einige Beispiele von Unfallflucht aus den letzten Wochen in Darmstadt, die die Polizei gemeldet hat. Die Liste ist länger.

ACE fordert Lockerung der Wartepflicht

Das Phänomen Fahrerflucht ist kein neues. Doch beim Lesen aktueller Unfallmeldungen der Polizei drängt sich der Eindruck auf, dass es zunimmt. Ist das wirklich so? „Einen leichten Anstieg, aber vom Grundsatz her gleich“, bilanziert Andrea Löb von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Südhessen mit Blick auf die jüngste Unfallstatistik: Die Zahl der Verkehrsunfallfluchten habe sich 2017 im Vergleich zum Vorjahr von 1254 auf 1295 Fälle erhöht. In den Jahren davor schwankte sie von 1268 (2013) auf 1204 (2014) und stieg dann auf 1259 im Jahr 2015 an.

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Der Anstieg lasse sich nicht unbedingt mit der oft beklagten abnehmenden Verkehrsmoral begründen, so Löb. Eine Erklärung könne aber der generell zunehmende Verkehr sein oder die Tatsache, dass Fahrzeuge immer größer werden bei gleichbleibendem Straßen- und Parkraumangebot. Die Mehrheiten der Fälle seien dabei sogenannte „Parkplatzrempler“ ohne Personenschaden.

Die Beobachtung, dass die Zahl der registrierten Unfallfluchten bei Parkplatzremplern zugenommen hat, beschäftigt auch den Auto-Club Europa (ACE). Doch sieht der Interessenverband die Schuld dafür weniger bei den Autofahrern, sondern in einem „antiquierten“ Passus des Strafgesetzbuchs. „Bei einem Parkrempler muss man am Unfallort warten, bis das aufgenommen wird“, erläutert ACE-Pressesprecherin Anja Smetanin. Aber viele wüssten das nicht oder wollten nicht mehr so lange warten. „In der heutigen Zeit von Handy und Co. müsste es eine Lockerung der Wartepflicht geben“, fordert der Autoclub. Demnach soll jeder Schaden vom Verursacher gemeldet werden – „doch mit der Möglichkeit, dies auch später zu tun beziehungsweise telefonisch.“ Das würde „dem Schadensverursacher eine goldene Brücke in die Legalität verschaffen“.

Der örtliche Verkehrsclub VCD hingegen sieht „keinen Änderungsbedarf an der bisherigen gesetzlichen Regelung“, wie David Grünewald vom Darmstadt-Dieburger Kreisverband mitteilt. Man könne doch auch heute schon die entsprechenden Angaben direkt bei der Polizei machen und bleibe dann straffrei. „Das liegt aber im Ermessen der Polizei“, kontert ACE-Sprecherin Smetanin. „Gesetzlich geregelt ist es nicht.“ Laut Gesetz müsse man warten.

Deswegen bringt der Darmstädter Fahrlehrer Jörg Heisch seinen Schülern das auch entsprechend bei. „Man muss 30 Minuten warten, das ist ein angemessener Zeitraum.“ Und wenn in dieser Zeit der Fahrer des beschädigten Wagens nicht auftauche, müsse man die Polizei anrufen.

Fragwürdig im Zusammenhang mit Parkremplern findet Heisch, organisiert im Landesverband der hessischen Fahrlehrer, weniger die gesetzliche Warte- und Meldepflicht. „Ein generelles Problem“ sei vielmehr, dass die Fahrzeuge immer raumgreifender würden. „Jede Autogeneration wird ein paar Zentimeter größer“, stellt er fest. „Die Parkplätze sind aber in der Regel nicht mitgewachsen.“ Hinzu komme, dass die Mobilität im Alter länger erhalten bleibe. Auch da lägen Problemfaktoren. Die Fahrlehrer hätten zunehmend Anfragen von besorgten Kindern, ob man den alten Eltern nicht das Fahren untersagen könne. Zwar gebe es heute in den unübersichtlicheren Autos Parksensoren und andere Assistenzsysteme. Doch könnten Fehlalarme dazu führen, dass der Fahrer die Signale ignoriert. Zudem nehme dadurch die Fahrkompetenz ab. Und die Frage sei: „Was, wenn die Technik versagt – ob der Fahrer dann noch eingreifen kann und das beherrscht?“