US-Metropolen wollen Partnerstädte sein

Die ohnehin nicht geringe Zahl von 15 Darmstädter Städtepartnerschaften könnte sich erhöhen. Die Metropolen San Antonio (US-Staat Texas) und Milwaukee (Wisconsin) haben starkes Interesse an engen Kontakten.

Von Harald Pleines

Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin liegt am Westufer des Michigansees. Foto: dpa

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DARMSTADT - Darmstadt trägt den Zusatz Wissenschaftsstadt nicht zu Unrecht: Der Ruf als in Rankings attestierter "Stadt der Zukunft" reicht bis Übersee. Nachdem die texanische Millionenstadt San Antonio (rund 1,4 Millionen Einwohner) schon im vergangenen Jahr Interesse an einer Städtepartnerschaft mit Darmstadt bekundet hat, strebt nun auch das mit rund 600.000 Einwohnern knapp halb so große Milwaukee (Wisconsin) eine enge Zusammenarbeit vor allem auf wirtschaftlichem und wissenschaftlichen Gebiet an.

Ob eine oder beide Initiativen in eine förmliche Städtepartnerschaft münden, ist offen, wie Oberbürgermeister Jochen Partsch sagt. Eins ist für ihn aber sicher: "Darmstadt schaut über den Tellerrand. Wir kommen bei den Städtepartnerschaften auf globaler Ebene an."

Im Mai wird er auf Einladung des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier mit einer Landes-Delegation nach Milwaukee reisen - der im Norden der USA gelegene Bundesstaat Wisconsin ist seit 1976 Partnerland von Hessen.

==Kommentar==

Von Harald Pleines

Darmstadt und die Amerikaner, ein facettenreiches Kapitel. Aus den ehemaligen Besatzern, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs hier residierten, waren längst Freunde geworden, als die US-Army ihre Kasernen räumte. Die verlassenen Areale kamen der geografisch begrenzten Schwarmstadt wie gerufen: Platz für neue Wohnquartiere und Gewerbegebiet.

Mit dem für Darmstadt schmeichelhaften Wunsch von San Antonio und Milwaukee nach engeren Beziehungen könnte ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Davon könnten unbestritten beide Seiten profitieren. Vom bloßen Erfahrungsaustausch bis zu handfesten Kooperationen von IT- und anderen Unternehmen und der Zusammenarbeit in wissenschaftlichen Fragen ist alles denkbar. Solche gegenseitigen Befruchtungen sind ja längst in der globalisierten Welt gang und gäbe. Braucht es dazu aber eine offizielle Städtepartnerschaft, die die meisten Bürger ausschließen dürfte?

Eine ganz andere Qualität hatte zum Beispiel ein Treffen im September 2015, als sich Fachkräfte der Jugendarbeit aus Brescia und Troyes in Darmstadt mit ihren hiesigen Kollegen Gedanken darüber machten, wie man Jugendliche, die sonst keinen Zugang zu internationalen Begegnungen haben, an Städtepartnerschaften heranführen kann. Oder der Aufbau eines Netzwerks zwischen Partnerstädten zum Aufbau einer Praktikantenbörse. Neben solch ernsten Themen bleibt immer auch genügend Raum für gegenseitige Besuche, bei denen das Feiern und Zusammensein im Vordergrund steht.

Darmstadt kann auch ohne Partnerstädte in den USA über den Tellerrand schauen.

==Milwaukee und San Antonio: Daten==

Milwaukee hat neben der University of Wisconsin und der Marquette University einige weitere Hochschulen. Von den zahlreichen Großunternehmen dürften in Deutschland der Motorrad-Hersteller Harley-Davidson und die Zeitarbeitsfirma Manpower am bekanntesten sein.

Fünf in der Stadt ansässige Firmen zählen nach der Umfrage einer Fachzeitschrift von 2009 zu den weltweiten Branchenführern.

Städtepartnerschaften hat Milwaukee unter anderem mit Schwerin, Omsk (Russland), Queenstown (Südafrika) und Nuevitas (Kuba).

San Antonio beheimatet die University of Texas, ist wirtschaftliches und kulturelles Zentrum von Südtexas. Wichtige Branchen sind Banken, Gesundheit und Tourismus.

Wie der Oberbürgermeister berichtet, war beim Heinerfest im Sommer vergangenen Jahres eine große Delegation aus San Antonio zu Gast in Darmstadt. Zuvor hatte die Abordnung inj Bonn an einer Tagung der Unesco-Weltkulturerbe-Kommission teilgenommen. Alamo und vier weitere spanische Missionsstationen in San Antonio zählen seit 2015 zum Weltkulturerbe.

Bei einem Treffen mit der Bürgermeisterin von San Antonio, der Industrie- und Handelskammer und ihm, so Partsch, sei eine Intensivierung der Kontakte vereinbart worden. Vor allem ein wirtschafts- und sozialpolitischer Austausch sei für beide Städte von Interesse. So habe San Antonio einen starken IT-Sektor. Auch die integrationspolitischen Erfahrungen mit einem hohen Anteil von Einwanderern aus Mexiko und anderen spanischsprachigen Ländern sei für Darmstadt wertvoll.

Nun liege für den April eine Einladung aus San Antonio zum dortigen zehntägigen Fest "La Fiesta" ("wie unser Heinerfest") vor. Partsch will aber stattdessen eventuell ein oder zwei Tage an die Reise mit Bouffier für einen Besuch in San Antonio anhängen - "eine sehr dynamische Metropole".

Auch bei Milwaukee - eine Stadt mit vielen deutschen Auswanderern - stehen nach seinen Worten wirtschafts- und industriepolitische Interessen im Vordergrund.

Der Oberbürgermeister räumt ein, dass dies ein neuer Aspekt in den Städtepartnerschaften Darmstadts sei. Deutschland habe zwei große Wellen erlebt. Nach 1945 sei Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern das Hauptmotiv für solche Partnerschaften gewesen. Aus dieser Zeit stammen die 1958 vereinbarten Partnerschaften mit Alkmaar (Niederlande) und Troyes (Frankreich) und ein Jahr später mit Chesterfield (Großbritannien).

Nach dem Fall der Mauer habe die gesamteuropäische Perspektive im Vordergrund gestanden. Es ging laut Partsch um "eine Brücke zu osteuropäischen Städten". Davon zeugen etwa die Partnerschaften mit Plock (Polen), Gyönk und Szeged (beide Ungarn), Freiberg (Sachsen), Ushgorod (Ukraine) und Liepaja (Lettland).

Bisher würden die Partnerschaften stark von der Bürgerschaft getragen: "Die Leute in Brescia laden einen Kleinlaster voll und fahren damit in den Norden zu unserem Grenzgang, und alle sind glücklich." Bei den beiden möglichen Partnerschaften in den USA gehe es dagegen mehr um den Austausch zwischen Universitäten und Firmen. In der Wirtschaft bestünden ohnehin schon enge Verbindungen, und es kämen ja auch viele Amerikaner zum Studieren nach Deutschland.

Ideal, so der Oberbürgermeister, sei es immer, wenn Partnerschaften von Bürgern mitgetragen würden: "Vielleicht findet sich ja in Darmstadt eine Gruppe Amerika-Begeisterter. Oder es gibt einen Schüleraustausch. Das wäre schon etwas anderes als mit England oder Frankreich."