Umjubelte Gala-Aufführung mit internationalen jungen Artisten im Circus Waldoni in Eberstadt
Um die Teilnahme am vierten Internationalen Waldoni Circus Festival im April hatten sich 45 Zirkusgruppen beworben, doch nur 16 mit insgesamt 48 Nachwuchsartisten wurden nach Eberstadt eingeladen. Sie reisten aus Deutschland, Finnland, Russland, Frankreich, der Mongolei und erstmals auch aus Israel an.
Von Petra Neumann-Prystaj
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EBERSTADT - "Hast du den Jungen gesehen? Er ist winzig. Er ist erst zehn Jahre alt. Das Kind ist Wahnsinn. Rasten Sie aus!" Nein, die aufgeregte Ansagerin Connie (Aziza Bouizedkane) hatte den Besuchern der ausverkauften Galaschau im Circus Waldoni nicht zu viel versprochen. Vladislav Baryshnikov aus St. Petersburg, ein Bübchen mit blonder Hahnenkammfrisur und grellgrünen Hosenträgern, gewann die Herzen der Zuschauer schon während seines dynamischen Luftgitarrenspiels. Als er begann, auf Zylindern (Rollen) zu balancieren, hielten alle die Luft an. Zuletzt hatte er Mühe, auf das Brett über den fünf aufeinandergelegten Rolas zu klettern. Aber das schmächtige Kerlchen schaffte auch das und schlüpfte während des Balanceaktes sogar noch durch zwei Reifen. Dabei wirkte er souverän und routiniert, als wenn er jahrelange Erfahrung hätte.
45 Gruppen hatten
sich beworben
Um die Teilnahme am vierten Internationalen Waldoni Circus Festival im April hatten sich 45 Zirkusgruppen beworben, doch nur 16 mit insgesamt 48 Nachwuchsartisten wurden nach Eberstadt eingeladen. Sie reisten aus Deutschland, Finnland, Russland, Frankreich, der Mongolei und erstmals auch aus Israel an. Gemeinsam trainierten die jungen Amateure ab Montag im Waldoni-Zirkuszelt und studierten die Eröffnungs- und Schlussszenen für zwei Aufführungen ein. Eine fachkundige Jury wählte am Mittwoch die Preisträger aus. Die Artisten erfuhren aber erst am Donnerstag, nach der Gala-Schau, ob sie gewonnen hatten. Auch der kleine Vladislav gehörte zu den Glücklichen.
"Ihr braucht euch vor den Profis nicht zu verstecken", sagte Waldoni-Geschäftsführer Hans-Günter Bartel, und das begeisterte Publikum war ganz seiner Meinung. Die Nachwuchskünstler überzeugten nicht nur durch Technik und Körperbeherrschung, sondern auch durch poetische Rahmenhandlungen. Bei zwei Nummern wurde das Bücherlesen mit Akrobatik verbunden. Kathrin Magiera (Schulzirkus der Montessorischule Aufkirchen) turnte am Vertikaltuch den immer höher Richtung Zirkuskuppel gezogenen antiquarischen Büchern hinterher, Zaelea Nolte (Frankfurter Kinder- und Jugendzirkus Zarakali) stieg auf Bücherstapeln aufs Trapez und vertiefte sich, kopfunter hin und her schwingend, in das Buch auf der Schaukel. Kadidja Sippel und Cara Eigner (Schulzirkus der Montessorischule) stellten einen Maler und eine Ballerina dar. Der Künstler erweckte die Tänzerin auf seiner Staffelei zum Leben, aber dort mochte sie nicht bleiben. Sie verließ die Leinwand und bezirzte ihren Schöpfer mit Grazie und Akrobatik. Das ging so lange gut, bis der Maler von ihren Umgarnungen die Nase voll hatte und sie wieder in den Bilderrahmen zurückdrängte. Mit jugendlicher Frische und ihrer unbändig guten Laune steckten 15 Turnerinnen der Jugendzirkusschule Helsinki das Publikum an. In Windeseile können die fröhlichen Finninnen Menschenpyramiden auf- und abbauen und dabei so unangestrengt aussehen, als wäre das alles ein Klacks. Mit einem Diabolo scheint Sarnai vom Circus Mongolia auf die Welt gekommen zu sein, so sicher beherrscht sie das Auffangen der Doppelhalbschalen auf einer Schnur. Und rotiert dabei noch mühelos um sich selbst.
Der zehnjährige Vladislav Baryshnikov aus St. Petersburg erobert im Circus Waldoni die Herzen der Zuschauer und der Jury. Foto: Andreas Kelm
Gastgeber ist selbst
mit zwei Nummern vertreten
Auch Gastgeber Circus Waldoni war am Galaabend mit zwei eigenen Nummern vertreten. Ein Jahr lang hatten Lilli Kunschke, Sanne Dieleman, Jona Katzenmeier, Jana Standke, Mona Lindeke und Finja Behle das Einradfahren trainiert. Jetzt können sie mit dem Pedalfahrzeug geschickt und elegant vor- und zurückhüpfen, über ein Seil springen und Hindernissen ausweichen. Niklas Meinhardt und Johannes Braun gaben sich als Geschäftsmänner aus, die sich bei Büroarbeiten langweilen. Das virtuose Spiel mit Diabolos riss sie aus ihrem monotonen Office-Alltag.
Witzig und einfühlsam führten die Moderatoren Connie und Emil (Sebastian Utecht) durchs Programm, ein Paar wie Feuer und ein Schluck Wasser. Emil ist ein kauziger, rationaler Typ mit Gesundheitsschuh-Tick, der ständig eine Aktentasche mit sich herumschleppt. Connie, schwärmerisch und gefühlvoll, kann sich zur Freude des Publikums herrlich über ihn aufregen.
PREISTRÄGER
Der Waldoni-Circus vergab einen Poesie-Preis an Tamara Quast vom Circus Imago (Tanztrapez). Für die gut erzählte Handlung wurden "Maler und Ballerina" (Kadidja Sippel und Cara Eigner) von der Dotter-Stiftung ausgezeichnet. Über einen weiteren Preis der Dotter-Stiftung konnten sich die Artistinnen aus Helsinki freuen. Die Firma Ballaballa zeichnete die Jonglage-Gruppe aus Israel für ihre technische Leistung aus.
Den von der Entega gestifteten Hauptpreis für Artisten unter 16 Jahren bekam der zehnjährige Vladislav Baryshnikov aus St. Petersburg für seinen Rola-Bola-Akt. Der Preis für Artisten über 16 Jahren war zweigeteilt: Die Sparkasse Darmstadt stiftete ihren Preis der Diabolo-Virtuosin Sarnai Khatanbaatar vom Circus Mongolia, die Stadt Darmstadt honorierte die Luftringnummer von Fanny Marmoin (Zirkusschule Pitreries). Den Zuschauern gefielen die Diabolo-Kunststücke der "Waldonis" Niklas Meinhardt und Johannes Braun besonders gut. (pep)
Nach der dreistündigen Vorstellung und dem Schlussapplaus stieg noch einmal die Spannung, als die Preisträger bekannt gegeben wurden.