Auf dem Pali-Parkplatz in Darmstadt will die Stadt zunächst eine und später eine weitere zylindrische Garage für Fahrräder errichten. Unter den Anliegern aus den Artzpraxen und Geschäften ringsum regt sich Protest: Sie wollen den Wegfall von 14 Kurzzeit-Parkplätzen nicht hinnehmen.
Von Harald Pleines
Zwei Fahrrad-Parktürme will die Stadt auf dem Pali-Parkplatz errichten - allerdings sollen die Darmstädter Varianten außen begrünt werden. Visualisierung: Wöhr Autoparksysteme GmbH
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DARMSTADT - Der Radfahrer hält einen elektronischen Chip an ein Lesefeld, eine Tür öffnet sich. Er schiebt sein Rad auf eine U-förmige Spur. Die Tür schließt sich und sein Fahrzeug wird automatisch zu einem freien Platz auf einer der acht Etagen dieses Bike-Safe genannten, 11,80 Meter hohen zylindrischen Turms befördert. Der Radler kann sich nun beruhigt seinen Besorgungen widmen, ohne sich um sein wertvolles Rad sorgen zu müssen. Bei seiner Rückkehr drückt er erneut den Chip an die Lesefläche, und in weniger als einer halben Minute hat er sein Rad wieder zur Verfügung.
Diese schöne Radwelt soll auf dem Pali-Parkplatz unweit des Luisenplatzes bis Ende nächsten Jahres Wirklichkeit werden. Doch des einen Freud ist des anderen Leid: Anwohner, zwei Apotheken, Arzt-Praxen im Merckhaus und in der unmittelbaren Nähe sowie weitere Geschäftsleute im Umfeld des Pali-Parkplatzes protestieren gegen den Wegfall von 14 Kurzzeit-Parkplätzen, mit dem die Verbesserungen für Radfahrer erkauft werden soll. Mit der Sammlung von Unterschriften, die sie Oberbürgermeister Jochen Partsch übergeben wollen, versuchen sie, den Erhalt der Plätze erreichen.
Für 570.000 Euro will die Stadt auf dem Pali-Parkplatz einen Fahrrad-Parkturm errichten. Aus dem Bundeswettbewerb "Klimaschutz im Radverkehr", bei dem sie sich mit dem Förderprojekt "Lincoln-by-bike" erfolgreich beworben hatte, kann sie mit einem Zuschuss von 170.000 Euro rechnen.
RAUM FÜR 212 ZWEIRÄDER
Die Aufstellung von zwei zylindrischen Parktürmen auf je 37 Quadratmetern Grundfläche soll die platzsparende Unterbringung von 212 Fahrrädern auf geringem Raum ermöglichen.
Als einziger Hersteller bietet ein baden-württembergisches Unternehmen in Friolzheim (Nordschwarzwald) Parktürme für Räder an, wie sie die Stadt im Auge hat. Das äußere Erscheinungsbild kann dem jeweiligen Stadtbild angepasst werden, sagte eine Firmensprecherin.
Die äußere Fassadenschicht des Turms für Darmstadt besteht aus einem gespannten Stahlnetz als Rankgerüst einer Fassadenbegrünung. Dies soll zusammen mit einer großzügigen Platzbegrünung - der Baumbestand soll möglichst erhalten und ergänzt werden - zur Verbesserung des Stadtklimas (Filterfunktion, Emissionen, Überhitzung) beitragen.
Derzeit fehlten in der Innenstadt hochwertige Abstellmöglichkeiten, die dem wachsenden Bedürfnis von Eigentümern wertvoller Fahrräder nach sicheren Parkmöglichkeiten gerecht würden, heißt es in einer Vorlage, die am Mittwoch, 17. Oktober, im Bau- und einen Tag später im Wirtschaftsförderungsausschuss behandelt werden soll.
Den Satz, professionelle Abstellanlagen seien unabdingbare Voraussetzungen zur Förderung des Radverkehrs, wird wohl jeder radelnde Besucher der Innenstadt unterschreiben. Im Förderzeitraum bis Ende 2019 sollen bis zu 300 sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder geschaffen werden. Nach einer Erprobungsphase, in der die Belegung des ersten Turms geprüft wird, soll bei positivem Ergebnis nach den Plänen der Stadt auf dem Pali-Parkplatz ein zweiter mit weiteren 90 Plätzen folgen. Über dessen Finanzierung gibt es noch keine Angaben.
Mit einer Machbarkeitsstudie hatte die Stadt drei Varianten geprüft. Ein Riegel von zwei Reihen herkömmlicher Fahrrad-Abstellmöglichkeiten wurde als zu unsicher verworfen. Die Möglichkeit eines unterirdischen Fahrradparkhauses schied nach Angaben der Stadt aus Kostengründen aus. Zudem sei dies innerhalb des Förderzeitraums bis September 2019 nicht umzusetzen. Ein dritter Grund: Die vorgesehene Bepflanzung des Platzes auch mit Bäumen sei dann unmöglich (mehr dazu in der Box). Kritiker sammeln mit der Parole "Für eine kundenfreundliche Innenstadt" derweil Unterschriften für den Beibehalt der Kurzzeit-Parkplätze. Bis Ende vergangener Woche hatten sich bereits 850 Unterstützer in die Listen eingetragen.
Für das Fortbestehen des inhabergeführten Einzelhandels sei eine sinnvolle Verkehrsanbindung überlebenswichtig. Dazu gehöre auch ein Mindestangebot an Kurzzeit-Parkplätzen, argumentieren die Gegner des Turms. Diese seien sehr wichtig für Senioren, orthopädische Patienten und alle Gehbehinderten ohne Sonderparkgenehmigung, die die vier (aktuell sechs) verbleibenden Behindertenparkplätze nicht nutzen dürften. Sie könnten ihre Arztbesuche und Therapien nicht mehr oder nur mit großen Umständen erledigen.
Betroffen seien allein 16 Praxen im Merckhaus und viele weitere in der Umgebung. Während der Notdienste der beiden Apotheken am Luisenplatz an 28 Tagen im Jahr müssten lebensnotwendige Medikamente auf unkompliziertem Weg abgeholt werden können, hieß es von der Engel-Apotheke.
Die Hoffnung der Anwohner auf Erhalt der Kurzzeit-Parkplätze wird allerdings bereits in der Vorlage gedämpft. Die Lage des Pali-Parkplatzes, die Bedeutung als Wegeverbindung zwischen Innenstadt und den angrenzenden Wohnvierteln, der Vernetzung mit dem Herrngarten und dem Friedensplatz sowie der Stellenwert der Innenstadt als Arbeitsstandort zeichneten den Platz als idealen Standort zur Errichtung von Fahrrad-Abstellanlagen aus: "Eine alternative Fläche vergleichbarer Qualität und Verfügbarkeit ist im Bereich der Innenstadt nicht vorhanden."