Die Profi-Triathletin vom DSW Darmstadt Daniela Sämmler spricht im ECHO-Interview über ihre Saison, ihre Mutterrolle, ihre Pläne für 2019 mit dem Vereinswechsel zu TuS Griesheim.
DARMSTADT. In Langen werden am Samstagabend im Rahmen der Sailfish-Night die Triathleten des Jahres gekürt. Mitfavoritin bei den Frauen ist Daniela Sämmler, die in diesem Jahr in Roth einen deutschen Rekord über die Langdistanz aufgestellt hat. Im ECHO-Interview spricht die Profi-Triathletin vom DSW Darmstadt über ihre Saison, ihre Mutterrolle, ihre Pläne für 2019 mit dem Vereinswechsel zu TuS Griesheim.
Frau Sämmler, wie lautet die persönliche Zusammenfassung der Saison 2018?
Das war meine bisher erfolgreichste Saison als Profi-Triathletin mit den Siegen bei der Challenge Roth und dem Ironman Emilia Romagna in Italien. Die damit gesicherte Qualifikation für Hawaii bietet natürlich die beste Ausgangslage für 2019. Ich kann mir nun in Ruhe die Rennen aussuchen, bei denen ich starten möchte. Im Nachhinein hätte ich aber wohl in Hamburg, nur vier Wochen nach Roth, nicht starten sollen. Ich wollte dort als Titelverteidigerin gern dabei sein, aber durch den Sieg in Roth waren einfach zu viele Termine im Anschluss, sodass die Vorbereitung auf Hamburg sehr stark beeinträchtigt war. Es war einfach zu viel.
Sie haben also Lehren aus diesem Jahr gezogen?
Ich hatte meine Gründe für diese Planung und die war auch gut überlegt. Trotzdem habe ich für die Zukunft dazugelernt. Man kann zwei Langdistanzen in Topform bestreiten, aber bei drei Rennen ist das kaum möglich. Für das nächste Jahr nehme ich mit, dass ich mich auf ein deutsches Rennen konzentriere und dann für den Jahreshöhepunkt in Hawaii noch einmal komplett neu aufbauen kann.
In diesem Jahr haben Sie den Ironman auf Hawaii noch am Fernsehen verfolgt. Mit wieviel gemischten Gefühlen?
Natürlich ging mir dabei mein Start auf Hawaii in 2016 noch einmal durch den Kopf. Seitdem ist einiges passiert und es hat sich für mich sehr viel in eine positive Richtung entwickelt. Ich werde mich daher gar nicht mehr groß damit beschäftigen, was damals schiefgelaufen ist. Gesundheitlich war ich da einfach nicht bei 100 Prozent - das bin ich jetzt und bin bereit, das Jahresprojekt Hawaii noch einmal anzugehen. Ich nehme eher die Dinge mit, die in den letzten Jahren gut gelaufen sind als zu überlegen, was da vor zwei Jahren schlecht war.
Bedauert man eigentlich als Langdistanz-Profi, nur so wenige Wettkämpfe im Jahr bestreiten zu können?
Bei der Saisonplanung denke ich tatsächlich hin und wieder: schade, so wenige Wettkämpfe. Aber es gibt ja auch sehr viele andere schöne Rennen, zum Beispiel auf der Mitteldistanz. Wenn man die Saison sinnvoll aufbaut und plant, kann man da auch auf seine Kosten kommen. Natürlich gibt es Profis, die deutlich mehr Langdistanzrennen bestreiten, aber da frage ich mich schon, wie das funktioniert.
Worin liegt denn generell der Reiz, sich über neun Stunden quälen zu müssen?
Ich komme von der Kurzdistanz, aber den größten Reiz hatte für mich von Anfang an die Langdistanz. Auf der olympischen Distanz ist es wichtig, dass man beim Schwimmen möglichst weit vorne landet, eine gute Radgruppe erwischt und dann werden die Rennen beim Laufen entschieden. Für mich liegt der Reiz mehr bei den Rennen ohne Windschattenfreigabe, wo es wichtig ist, in allen drei Disziplinen möglichst ausgeglichen zu sein und da ist die Langdistanz nun mal die Königsdisziplin. Ich bringe für die Langdistanz deutlich mehr Talent mit, und wenn man das einmal erlebt hat, dann bleibt man hängen. Das geht ja nicht nur Profis so.
Was haben Sie in dieser Saison anders gemacht als die letzten Jahre?
Ich bin dieses Jahr einfach sehr gut durch die Vorbereitung gekommen, ohne gesundheitliche Probleme. Es war nicht jedes Jahr so dramatisch wie in 2016, aber irgendetwas Kleines war sonst fast immer. Ich habe auf dem Rad sehr viel mit meinen Partnern an der Aerodynamik gearbeitet und einen riesen Sprung in der zweiten Disziplin gemacht. Seit März habe ich zudem einen neuen Trainer und auch beim Laufen einiges umgestellt. Da ist sehr viel Stabilität und Vorarbeit nötig, um größere Trainingsumfange ohne Verletzung zu verkraften. In diesem Jahr war ich soweit, dies erstmals umsetzen zu können.
Sie scheinen auch am Gesamtpaket gearbeitet zu haben. Mehr Außendarstellung, mehr Sponsoren. Ist das die Folge des Erfolges oder ein Zeichen der Professionalisierung?
Das eine bringt das andere mit sich. Wenn der Erfolg da ist, steigt das Interesse der Sponsoren und wiederum auch mein Anspruch, etwas zurückgeben zu wollen. Ich sehe es auch als Chance, mich dann professioneller aufzustellen. Gerade auch im Bereich soziale Medien gibt es eine allgemeine Entwicklung des Sports, die man ein Stück weit mitgehen muss - die aber auch viele Chancen beinhaltet.
Muss man tatsächlich?
Ich denke schon. Die sportlichen Ergebnisse alleine reichen nicht, um eine echte "Marke" aufzubauen. Wenn man vom Sport leben können möchte, ist gerade dieser Bereich aber sehr wichtig.
Stichwort: davon leben. Muss man ein solches Leistungs- und Ergebnislevel wie Sie erreichen, um als Triathlon-Profi vom Sport leben zu können?
Natürlich kann man als Profi nur dann von seinem Sport leben, wenn man entsprechende Ergebnisse erzielt, das gilt vor allem in einer Sportart wie Triathlon, die nicht ein mediales Interesse generiert wie z.B. Fußball. Aber wie schon erwähnt - gute Ergebnisse allein reichen nicht. Man benötigt Sponsoren und man muss bereit sein, den Sponsoren auch etwas zurückzugeben. Das bedeutet sehr viel harte Arbeit neben dem Training. Ich muss im Moment keinem anderen Beruf nachgehen, aber trotzdem neben dem Sport sehr viele andere Dinge machen. Ich kann derzeit guten Gewissens sagen, dass ich eine Familie ernähren kann. Ursprünglich war einmal der Plan, mein Studium davon zu finanzieren oder mir etwas "Vernünftiges" aufzubauen. Aber ich kann Ihnen sagen: Profisport und Mutter und dann noch Studium oder Ausbildung ist ein Projekt zu viel. Heute sehe ich das viel entspannter, ich kann ja auch nach meiner Profikarriere noch studieren.
Wie sehr inspiriert oder hilft die Mutterrolle in der Arbeit als Sportprofi?
Sie hilft sehr, weil ich dadurch immer weiß, dass es da auch noch etwas Wichtigeres neben dem Sport gibt. Natürlich kann ich nicht wie viele andere immer kompromisslos die besten Trainingsbedingungen schaffen und mal eben nach Südafrika fliegen, wenn hier schlechtes Wetter ist. Aber dadurch, dass ich auch noch ein anderes Leben habe, kann ich auch vom Sport viel besser abschalten. Es ist sicher ohne Kind einfacher, diesen Beruf auszuüben, aber das ist ja in anderen Berufen genauso. Ich habe auch ein sehr gutes Umfeld, das mir hilft und wäre ich in einem anderen Beruf, müsste ich das ja auch organisieren.
Was macht den Triathlonsport in Darmstadt aus?
Wir haben hier eine Hochburg mit Leistungs- und Erfolgsträgern und auch sehr gute Trainingsbedingungen. Wobei ich persönlich zum neuen Jahr vom DSW Darmstadt zum TuS Griesheim wechseln werde. Das sind persönliche Gründe, die vor allem das Schwimmen betreffen, hier sehe ich noch Reserven. Als starke Radfahrerin gehöre ich zu den Athletinnen, die in einem Rennen auch mal vorne rausfahren können. Wenn ich dann auch vorne mit aus dem Wasser komme, lässt es mir viel mehr taktische Möglichkeiten. Deswegen sehe ich für mich beim Schwimmen noch Reserven, die ich mit neuen Impulsen beim TuS Griesheim ausreizen will.
Daniela Ryf hatte auf Hawaii einen Riesenvorsprung, Sie haben in Italien mit großem Vorsprung gewonnen. Würden Sie sich eine etwas höhere Leistungsdichte bei den Frauen auf der Langdistanz wünschen?
Die Challenge Roth habe ich mit neun Sekunden Vorsprung gewonnen, das war ein wahnsinnig knappes und dadurch sehr spannendes Rennen wie ich es selber bei einer Langdistanz noch nie erlebt habe. Wenn man sich die letzten Jahre anschaut, ist es schon so, dass die Dichte bei den Frauen sehr zugenommen hat. Daniela Ryf kann man da etwas ausklammern. Sie ist zurzeit auf einem eigenen Level unterwegs. Aber wenn man alleine schaut, wie viele Triathletinnen im Laufe der letzten zehn Jahre unter neun Stunden angekommen sind, dann liegt das ja nicht nur an der Materialentwicklung. Das Problem ist eher, dass die Rennen aus dem Boden sprießen. Dadurch verteilen sich die Besten immer wieder und treffen sich erst auf Hawaii. Der Qualifikationsmodus verändert sich auch, und dadurch wird es auf Hawaii ein ganz anderes Feld geben. Entweder man muss einen Ironman gewinnen oder bei einem der Championships wie in Frankfurt auf dem Podium stehen.
Wirkt eine Leistung, wie sie Patrick Lange erbracht hat, auch inspirierend?
Was Patrick in den letzten drei Jahren geleistet hat, motiviert und inspiriert natürlich sehr. Bei den Zeiten in diesem Jahr muss man sicherlich auch die optimalen Bedingungen berücksichtigen, das sieht man ja z.B. auch an der Radzeit von 4:26 Stunden von Daniela Ryf. Die mit Abstand beste Radzeit jemals auf einer Langdistanz, wobei der Kurs auf Hawaii normalerweise aufgrund der Bedingungen sehr schwer und eher langsam ist. Ich finde es persönlich aber schade, dass vieles im Triathlon nur an Hawaii gemessen wird und dass in der medialen Aufmerksamkeit nur ein Hawaii-Sieg zählt. Dabei gibt es mittlerweile so viele hochkarätig besetzte und anspruchsvolle Rennen. Und ein dritter Platz wie der von Anne Haug, die als erste deutsche Frau seit 2008 aufs Podium gelaufen ist, wird medial in Deutschland kaum wahrgenommen. Diese Leistung ist für mich aber ebenso inspirierend.
Was können Sie jetzt schon sagen zur Planung 2019?
Ich kann schon sagen, dass ich vor Hawaii noch eine Langdistanz machen werde, aber auch ganz sicher nicht mehr als eine. Es wird mit großer Sicherheit ein deutsches Rennen sein, dazu kommen wieder drei oder vier Mitteldistanzen.
Das Interview wurde geführt von Udo Döring.