Nach dem Tod einer Radfahrerin auf der Darmstädter Kirchstraße fordern Politiker und Rad-Aktivisten ein Tempolimit auch auf dem Cityring. Andere Beispiele in der...
DARMSTADT. Nach dem Tod einer Radfahrerin auf der Kirchstraße wird der Ruf nach Tempo 30 auf dem Cityring lauter. Die Stadt macht Druck beim Land Hessen, das bei Hauptverkehrsstraßen zustimmen muss - "wir sind zuversichtlich", heißt es bei der Kommune auf Nachfrage. Die Stadtverordneten werden die Sache am Donnerstag ebenfalls diskutieren; die Linken-Fraktion legt einen Eilantrag vor. Die Aktivisten der Initiative "Radentscheid" nennen derweil Beispiele aus Darmstadt, wo das Tempo auf einer stark befahrenen Straße ganztägig verringert wurde - und wo Radler wie Fußgänger jetzt messbar sicherer unterwegs sind.
Die Heinheimer Straße ist eine wichtige Achse durchs innenstadtnahe Martinsviertel. Schwere Lastwagen, Lieferwagen, Pkw, Lastenräder und andere Vehikel rollen hier von der Dieburger Straße bis zum Rhönring mit maximal Tempo 30. Deutlich markierte Spuren für die Radler, abgesetzte Bürgersteige, Aufstellflächen fürs sichere Überqueren hat die Stadt hier eingerichtet: "Ganz hervorragend gelöst", sagt David Grünewald von der Initiative "Radentscheid". "An der Heinheimer sieht man, wie es gehen kann, auch auf Hauptverkehrsstraßen."
Eine solche ist auch die Kirchstraße, wo eine 53 Jahre alte Radlerin letzte Woche von einem Auto erfasst wurde und starb. Rad- und Fußaktivisten fordern deshalb Tempo 30 - am besten auf dem gesamten Cityring. Denn die Vorteile sind inzwischen belegt.
Wo die Geschwindigkeit in Städten auf 30 km/h verringert wurde, ist es messbar sicherer. Um 15 bis 40 Prozent gingen die Unfallzahlen in Tempo-30-Zonen zurück - das berichten die Fachleute vom Deutschen Institut für Urbanistik. Bei Fußgängern und Radfahrern sanken die Unfälle demnach sogar um rund 70 Prozent, so ein Artikel aus der "Zeit" vom November.
Für David Grünewald liegt der Zusammenhang auf der Hand. Beispiel Heinheimer Straße: "Da sind die Radler bergab in Richtung Rhönring auch bis zu 25 Stundenkilometer schnell, der Unterschied zum Tempo der Autos ist da nur noch gering - das Risiko bei Unfällen wird dadurch deutlich gemildert."
Die Radler bringen noch eine Zahl als Argument vor. Der Anhalteweg für Autos (das ist die Reaktionszeit des Fahrers plus der Bremsweg des Wagens) wird bei Tempo 30 halbiert. Bei der geringeren Geschwindigkeit rechnet man mit 18 Meter Weg, bei Tempo 50 mit 40 Meter - ein langes Bremsmanöver, das tödliche Folgen haben kann. Der Autofahrer auf der Kirchstraße konnte seinen Wagen jedenfalls nicht mehr vor der querenden Frau mit Fahrrad stoppen. Dort gilt "Tempo 30" seit 2017 - aber nur zwischen 22 und 6 Uhr, wie auch auf Abschnitten der Heinrich-, Karl- und Frankfurter Stra0e sowie der Nieder-Ramstädter Straße. Das heißt freilich nicht, dass dort langsam gefahren wird.
Spitze: Mit 78 Sachen durch die Dreißiger-Zone
Beispiel Hügelstraße: Dort hat die Stadt auf Empfehlung der Unfallkommision Anfang 2017 Tempo 30 eingeführt. Im Juni und August 2018 maß das Ordnungsamt, dass mehr als 20 Prozent aller Autos, die östlich aus dem Tunnel kommen, zu schnell unterwegs waren. Spitze: 78 km/h. Die Rad-Aktivisten fordern deshalb eine Überwachung durch Blitzer auf dem Cityring. Die Stadt sagt auf Anfrage: "Tempo 30 wie auch andere Restriktionen bedürfen selbstverständlich der Überwachung; dies gilt im ganzen Stadtgebiet und wird auch so vollzogen."
Auf 70 Prozent aller Wohnstraßen in Darmstadt gilt nach Angaben der Kommune schon das Limit "30 Stundenkilometer". Es sei nun "die Absicht der Stadt Darmstadt, auf der Kirchstraße auch tagsüber Tempo 30 einzuführen, gerade um gefährliche Situationen dort nach Möglichkeit auszuschließen". Als Argumente könnten auch die beiden nahegelegenen Schulen gelten. Eine dritte ist in Planung - eine Grundschule an der Altstadtmauer.
Die Fraktion von "Die Linke" fordert in einem Eilantrag ans Parlament genau dieses: "Tempo 30 auf dem Cityring", ganztägig, samt Kontrollen. Die Grünen-Fraktion verzichtet auf einen ähnlichen Antrag, obwohl die Vorsitzende Irmgard Förster-Heldmann sich öffentlich für Tempo 30 ausgesprochen hatte: "Der Magistrat ist ja schon aktiv", heißt es aus dem Grünen-Büro, weiteren Druck halte man nicht für sinnvoll.