Teile der Kriegsgräberanlage auf dem Darmstädter Waldfriedhof gestohlen
Entsetzen in Darmstadt: Die drei schweren Bronzereliefs, Teile der Kriegsgräberanlage auf dem Waldfriedhof, wurden gestohlen. Außerdem brachen Unbekannte drei Bronzetafeln aus dem angrenzenden Rondell heraus.
Von Frank Horneff
Lokalredakteur Darmstadt
Schändung der Kriegsdenkmäler auf dem Waldfriedhof in Darmstadt: Es wurden mehrere Bronze-Elemente gestohlen. Foto: André Hirtz
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DARMSTADT - Entsetzen am Freitagnachmittag auf dem Waldfriedhof. Oberbürgermeister Jochen Partsch steht am Gräberfeld und blickt auf die Stelle, an der drei Bronzereliefs an die Kriegsopfer erinnerten - besonders an die Opfer der Brandnacht vom 11. auf den 12. September 1944.
Die tonnenschweren Bronzefiguren wurden von Unbekannten gestohlen, wie Friedhofsbesucher am Freitag gegen 12.45 Uhr bemerkten. "Das ist völlig würdelos und verabscheuungswürdig", sucht ein sichtlich bewegter Oberbürgermeister nach Worten für eine Tat, "die uns Darmstädter in der Seele trifft", sagt Partsch. Nach einem kurzen Moment des Schweigens fährt der Oberbürgermeister fort: "Diesen Ort der Trauer, der an die schlimmste Nacht der Darmstädter Geschichte erinnert, so zu schänden, ist eigentlich nicht vorstellbar."
Auch Holger Wagner, Mitarbeiter der städtischen Friedhofsverwaltung, ist die Fassungslosigkeit anzusehen. Wagner hat keine Erklärung für den "dreisten Diebstahl."
Eine Mitarbeiterin der Darmstädter Kriminalpolizei stößt zu der Gruppe fassungsloser Männer. Sie nimmt Spuren auf, hält sich mit einer ersten Einschätzung vor Ort zurück. Später wird die Polizei in einer Meldung den vermutlichen Tatzeitraum zwischen dem 11. und dem 22. Dezember ungewöhnlich weit fassen.
Schändung der Kriegsdenkmäler auf dem Waldfriedhof in Darmstadt: Es wurden mehrere Bronze-Elemente gestohlen. Foto: André Hirtz
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Oberbürgermeister Jochen Partsch sieht sich die Schäden auf dem Waldfriedhof an. Foto: André Hirtz
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Auch drei Platten herausgebrochen
Auch drei Bronzeplatten wurden aus dem Rondell herausgebrochen. Auf den Platten sind die Namen der rund 12.000 Opfer aus der Darmstädter Brandnacht verewigt. Diese Bronzeplatten ließen die Unbekannten zurück. "Möglicherweise wurden die Verbrecher gestört", sagt Friedhofsmitarbeiter Holger Wagner. Dort, wo einst die Bronzereliefs lagen, zeichnen sich schmale Reifenspuren im Sand ab. "Könnte eine Sackkarre gewesen sein", mutmaßt der Oberbürgermeister.
Partsch beziffert nach ersten Rückmeldungen aus seiner Verwaltung die Kosten für ein neues Relief zwischen 5000 und 10.000 Euro je Figur. Die Reparaturen an der Gesamtanlage mit den herausgebrochenen und beschädigten Platten dürfte die Stadt nach Partschs erster Einschätzung "zwischen 80.000 und 120.000 Euro" kosten.
MAHNMAL AUS DEN FÜNFZIGER JAHREN
Die Kriegsgräberanlage auf dem Waldfriedhof wurde Anfang der fünfziger Jahre errichtet. Zu Füßen des Mahnmals, einem großen Betonkreuz mit der Inschrift "Ihr seid uns unvergessen", ruhen die Toten der beiden Weltkriege auf drei halbrund angelegten Ebenen. Auf der untersten Ebene liegen die rund 12.000 Toten der Darmstädter Brandnacht vom 11. auf den 12. September 1944.
Die Figurengruppe "Opfer" des Darmstädter Bildhauers Fritz Schwarzbeck (1902-1989) wurde 1958 geschaffen und in die Gestaltung der Begräbnis- und Gedenkstätte für die Toten der Brandnacht einbezogen.
Sie besteht aus drei im Boden eingelassenen Bronzereliefs. Die Reliefs symbolisieren eine schlafende Familie: Vater, Mutter, Kind.
"Wir werden diese Gedenkstätte wieder herrichten", kündigte Partsch vor Ort an. "Es gehört viel Kaltblütigkeit und ein enormes kriminelles Potenzial dazu, zwei Tage vor Heiligabend einen Ort, der allen Darmstädtern wichtig ist, auf diese Weise zu schänden", heißt es in einer kurz nach Partschs Besuch verbreiteten Erklärung der Stadt.
Dies sei nicht einfach Diebstahl und Vandalismus an einem Denkmal, dies sei Störung der Totenruhe - "und es ist die Verletzung und Entehrung der Gedenkstätte, an der wir uns versammeln, um nicht zu vergessen, was die Menschen hier in der schlimmsten Nacht der Darmstädter Geschichte erlitten haben. Nicht zuletzt wird hier zudem der Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime gedacht. Die Tat und das Bild, das sich hier an der Gedenkstätte zeigt, sind brutal", heißt es in der Erklärung der Stadt weiter.
2003 hatte die Stadt die drei Bronzereliefs für rund 70.000 Euro sanieren lassen. Dabei wurden die Figuren mit einer Wachsschicht versiegelt. Die Sanierungskosten wurden damals aus Bundesmitteln finanziert.
"Wir werden alles tun, um dem Ort seine Würde zurückzugeben", sagte der Oberbürgermeister. Künftig sollen an allen Darmstädter Friedhöfen Tore und Eingänge nicht nur verschlossen, sondern so gesichert werden, dass sie nicht mehr von Fahrzeugen durchbrochen werden können.